RACHEL JOYCE: "MISTER FRANKS FABELHAFTES TALENT FÜR HARMONIE"


Mit ihrem Debütroman "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" landete die britische Bühnenschauspielerin Rachel Joyce 2012 einen Welterfolg. In ihrem jetzt vierten Buch unter dem Titel "Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie" stellt sie eine ähnlich liebenswert kauzige Type in den Mittelpunkt.
Dieser bärengroße Frank, den niemand Mister nennt, kommt 1974 als junger Mann ziemlich abgerissen nach London. Mit seinen letzten Mitteln kauft er in der heruntergekommenen Unity Street einen Laden, der eher eine Ruine ist. Doch er richtet ihn sich zum Schallplattenladen her und folgt damit seiner großen Gabe. Frank hat ein untrügliches Gespür dafür, welche Musik zu jemandem passt: "Er wusste, was die Leute brauchten, sogar wenn sie es selbst nicht wussten."
Wie der Mann, der gerade auf sehr schnöde Weise seine frisch Angetraute an den Trauzeugen verloren hatte. Nichts als Chopin möge er und nichts anderes wolle er hören. Frank aber greift ausgerechnet zu Aretha Franklin und - bezaubert den Mann damit völlig. Frank ordnet Musik nicht nach Kategorien ein und wählt nach Intuition aus. Der kleinen Sackgasse allerdings geht es immer schlechter und jetzt im Jahre 1988 kommt für Frank auch noch die zusätzliche Zumutung hinzu: er soll auch die neuen CDs verkaufen.
Das aber kommt für den Vinyl-Enthusiasten niemals in Frage. So wie auch die Nachbarn bis auf den Bäcker Novak standhaft sind, der dem Drängen von Immobilienhaien nachgibt, die die Straße zugunsten eines Einkaufscenters plattmachen wollen. So scharen sich um Frank etliche ebenso illustre Charaktere wie Maud mit dem Tattoo-Laden, Pfarrer Anthony mit seinem Devotionalienhandel und das Bestattungsunternehmen der zuweilen händchenhaltenden Brüder Williams.
Und nicht zu vergessen der tolpatschige Ladenassistent Kit, der schließlich die entscheidende Wende im Leben Franks unmittelbar mitbekommt: das Erscheinen von Ilse Brauchmann. Die junge Frau im grünen Mantel fällt direkt vorm Laden in Ohnmacht. Frank ist gleich betört, als sie im Laden wieder zu sich kommt, denn sie hat Augen so dunkel wie Vinyl. Aber auch einige Geheimnisse.
Vor allem jedoch ist Frank nicht nur sofort unsterblich verliebt in sie, erstmals misslingt ihm auch eine Zuordnung der passenden Musik. Egal ob Beethoven, Vivalid, Duke Ellington oder Sex Pistols, nichts kommt an, weil Ilse auch sonst nie Musik hört. Gleichwohl entwickelt sich eine nicht alltägliche Liebesgeschichte. Und Ilse nimmt sogar "Musikunterricht" bei ihm.
Während sich die dunklen Hintergründe der jungen Deutschen nur allmählich erahnen lassen, entwickelt sich das Bild des scheuen Frank aus Rückblenden, die manches erklären. Vor allem prägte ihn die offenbar bohèmienhafte Mutter, die ihn viel über Musik lehrte, es an Emotionen aber mangeln ließ. Ob jedoch Franks Musiktherapie irgendwann auch bei Ilse anschlägt und ob sein Laden mit nichts als Vinyl überhaupt Bestand haben kann, das sei hier nicht verraten. Ein Happyend aber wäre durchaus denkbar...
Fazit: ein irgendwie liebenswerter spleeniger Roman mit ebensolchem Personal, der außerdem sehr viel über Schallplattenmusik erzählt.

# Rachel Joyce: Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie (aus dem Englischen von Maria Andreas); 384 Seiten, Krüger Verlag, Frankfurt; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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