ALISON JEAN LESTER: LILLIAN,
DAS LEBEN UND DIE MÄNNER
Als selbstbewusste unabhängige Frau in Beruf und Privatleben klarzukommen, war in den
50er und 60er Jahren nicht unbedingt leicht und in den gesellschaftlichen Standards nicht
so recht vorgesehen. Das galt natürlich auch für die 1933 geborene Farmerstochter
Lillian aus dem ländlichen Missouri.
Mit nun 57 Jahren blickt sie zurück, mit einer Spur Wehmut aber ohne jeden Zorn. Zum
Auftakt dieser Erinnerungen erwacht die immer noch mondäne und sehr lebensbejahende Dame
an der Seite eines neuen Liebhabers und erzählt davon unter dem Titel Lillian, das
Leben und die Männer. Leider werden Titel wie Cover dem tatsächlichen Inhalt
dieses intelligenten Romans von Alison Jean Lester wenig gerecht.
Ich-Erzählerin Lillian berichtet in eben dem eleganten Stil, den man von einer
international erfahrenen Journalistin erwarten darf. Ebenso temperamentvoll wie
eigenesinnig lässt sie als Studentin auf Lehramt den Eheanwärter aus besseren Kreisen
lieber sausen, als sich den allgemeinen konservativen Zwängen unterzuordnen. Stattdessen
nutzt sie eine Chance, um in Europa als Redakteurin zu arbeiten.
Die attraktive junge Frau lernt, sich mit Charme und Durchsetzungsvermögen durchzusetzen,
wobei sie Männer, mit denen sie Affären hat, auf zweierlei Weise zu nutzen weiß: sie
lernt von ihnen und sie versteht es, sich jeweils im richtigen Augenblick von ihnen zu
trennen. Ohnehin kommen nur gutaussehende, intelligente und interessante Männer in Frage.
Sie genießt Sinnlichkeit und Abenteuer, allerdings denkt sie mit gewisser Sehnsucht und
Melancholie an ihren früheren Chef Ted zurück. Der verheiratete Mann war ihre ganz
große Liebe, so groß, dass sie für ihn sogar ihre Unabhängigkeit aufgegeben hätte.
Doch es hatte nicht sollen sein, gleichwohl bereut sie nichts, so schwierig der Spagat
zwischen Liebe und Freiheit zuweilen auch geriet.
Nun schaut sie zurück, sinniert über das Frausein an sich, natürlich über die Männer
und auch über die kleinen Tricksereien, die unvermeidlich werden, wenn die Wechseljahre
erst einmal so einige Veränderungen eingeläutet haben. Und während manche Bücher durch
einen großartigen Eröffnungssatz unvergesslich bleiben, gibt es hier einen besonders
hinreißenden Schlusssatz: Im Vergleich zu unseren nicht gelebten Träumen sind
unsere Taten nur ein mattes Flüstern.
Fazit: ein Frauenroman auf feinsinnigem Niveau im Stile von überaus offenen aber auch ein
wenig selbstkritischen Memoiren.
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