TIM PRÖSE: „HALLERVORDEN“


„Palim, palim“ - es dürfte wohl nur ganz wenige Menschen geben, die durch nichts als zwei Worte sofort präsent sind wie Dieter „Didi“ Hallervorden. Millionen erinnern sich noch heute an viele der hinreißenden Blödel- und Klamaukszenen mit ihrem meist anarchischen Humor aus der „Nonstop Nonsense“-Reihe und vielen anderen clownesken Auftritten in Fernsehen und Kino.
Doch es gab ja auch den politischen Kabarettisten und überhaupt – dieser Kauz mit dem verknautschten Gesicht, das meist an sich schon zum Lachen reizte, war und ist eben weit, weit mehr als nur der berühmteste Spaßmacher deutscher Sprache. Und genau das hat Tim Pröse mit seiner Biografie „Hallervorden – Ein Komiker macht ernst“ intensiv untersucht.
Der Journalist, der den Didi in Kindheit und Jugend vergötterte, hat unter anderem auch Psychologie studiert, was der Annäherung an den privat so schüchternen und introvertierten Künstler sehr zugute kam. Ein Jahr lang konnte er den mittlerweile 82-Jährigen begleiten und Hallervorden machte ihm hernach das Kompliment, ihn zu Antworten geöffnet zu haben, die ihn selbst überraschten. Pröse macht bei sämtlichen Ausführungen kein Hehl aus seiner Bewunderung für diesen Ausnahmekünstler, was ihren Ausfluss wiederum gerade deshalb gut erträglich macht.
Es gelingt ihm eine große persönliche Nähe zu Hallervorden, was tiefe interessante Einblicke ermöglicht, die so manches Mal staunen lassen. Da hört man von Depressionen, die den notorisch aktiven Senioren zuweilen befallen. Aber man erfährt auch von einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte, die der überaus rüstige Hallervorden seit mehreren Jahren mit seiner „Divina“, der 35 Jahre jüngeren Stunt-Frau Christiane Zander erlebt. Und Pröse durfte die Beiden auch auf dem Château auf seiner Privatinsel an der bretonischen Küste erleben, das die ruhelose Rampensau Didi bereits 1988 für den Stile suchenden Robinson Hallervorden kaufte.
Viel Charakteristisches geben aber auch die Interviews zum Beispiel mit seiner ersten Ehefrau Rotraud Schindler – kongeniale Partnerin bei „Nonstop Nonsense“ - oder mit seinem Sohn Johannes aus der zweiten, bis heute nicht geschiedenen Ehe preis. Pröse schildert die späte zweite Karriere Hallervordens, als der sich nicht nur das Schlosspark Theater in Berlin zulegte, sondern als Charakterdarsteller nie geahnte Erfolge jenseits des Blödelfachs feierte.
Vor allem sein grandioser Auftritt in „Honig im Kopf“ sorgte für einen der erfolgreichsten deutschen Kinofilme aller Zeiten. Und welche Symbolik lag in dem ebenfalls viel gerühmten Film „Das letzte Rennen“, wo der alte Marathonläufer Paul gewissermaßen dem Tod davonläuft – und Hallervorden seinem ebenso verdienten wie viel zu eng gefassten Image als Komiker der Nation.
Hallervorden der Charmeur alter Schule, der Rastlose, der in sich gekehrte Naturliebhaber und so vieles mehr: Tim Pröse macht sein Idol wunderbar in all seinen spannenden Facetten erkennbar. Und es lohnt sich, das Alles über einen unermüdlichen Allrounder zu lesen, der sein Lebensmotto in dem selbstironischen Satz zusammenfasst: „Ein Narr gibt nie auf.“

# Tim Pröse: Hallervorden – Ein Komiker macht Ernst; 254 Seiten, div. SW-Abb.; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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