JEAN ECHENOZ: UNSERE FRAU IN
PJÖNGJANG
Beinah wäre die Welt vor gar nicht langer Zeit vom bedrohlichen King Jung-un erlöst
worden, hätte ein raffinierter Plan des französischen Geheimdienstes zur Gänze
funktioniert. Das jedenfalls erzählt der Roman Unsere Frau in Pjöngjang von
Jean Echenoz.
Doch es sei gleich vorweg gesagt: die Geschichte ist eine Agentenschnurre, mit der sich
der französische Prix Goncourt-Preisträger (1999) einen großen Spaß mit viel Esprit
gegönnt hat. Sich und der gesamten Leserschaft, denn Personal und Geschehen sind einfach
köstlich und auf geradezu satirische Weise realitätsnah geraten. Ganz vorne weg
Geheimdienst-General Bourgeaud, der mit seinen 70 Jahren händeringend um einen Rest an
Bedeutung kämpft, um nicht in den Ruhestand abgeschoben zu werden.
Also heckt der einstige Meister verdeckter Aktionen einen genial abstrusen Plan aus, um
Nord-Korea zu destabilisieren. Dazu braucht er eine Frau, attraktiv aber nicht zu helle.
Sein Adlatus Objat steuert die idiotische Idee bei, dazu eine gänzlich unvorbelastete
Dame zu rekrutieren. Wozu die beiden relativ einfach gestrickten Agenten Jean-Pierre und
Christian an einem Pariser Freidhof die 34-jährige Constance entführen, ihres Zeichen
nicht sehr berufstätig und tatsächlich recht unbedarft.
Sie in einem abgeschiedenen Kaff für die Zustimmung zu einem Geheimdiensteinsatz gefügig
zu machen, stößt auf wenig Widerstand. In der Ehe gelangweilt, findet sie ihre
Entführer nämlich alles andere als abschreckend. Ganz nebenher ruft der
Erpressungsversuch gegenüber ihrem Ehemann, einem einst erfolgreichen Schlager-Fuzzi, auf
überraschend wenig Interesse. Er vernascht lieber die Sekretärin seines Bruders, der
wiederum gerade sein Glück als Mafia-Anwalt versucht, und er wollte sich ohnehin scheiden
lassen.
Mit einer geradezu hirnrissigen und zugleich spitzbübischen Neigung zur Detailgenauigkeit
öffnet der Autor nun süffisant den Weg zum eigentlichen Einsatz im nordkoreanischen
Absurdistan. Welche Klassenunterschiede im klassenlosesten aller Staaten! Und während
Constance wie ein Superstar im Super-Luxusstatus hofiert wird, Jean-Pierre und Christian
dagegen auf die Domestiken-Ebene verbannt werden, lernen die westlichen Agenten als erstes
wichtige Grundsätze kennen.
Man darf in Nordkorea fast alles, nur nicht über Politik sprechen und nicht ohne
Begleitung herumlaufen. Und noch einmal zur Erinnerung: man darf auf keinen Fall über
Politik sprechen. Um so gradliniger gelingt Constance das Anbaggern ihrer Zielperson Gang
Un-ok. Der ist nicht nur überdurchschnittlich groß und überraschend attraktiv, als
triebiger Weiberheld übernimmt der hochrangige Parteisekretär das Verführen selbst im
Handumdrehen und durchaus zum Wohlgefallen der Amateur-Agentin.
Und die überaus schräge Chose mit köstlichen Feinheiten über nordkoreanische
Gegebenheiten gleitet nahtlos über in Thrillerqualitäten. Warum das Einsatzziel dann
doch nicht so ganz erreicht wird, sei hier nicht verraten, aber spannend wird das schon.
Jean Echenoz untergräbt seinen Agentenroman dabei immer wieder mit raffiniert um die Ecke
gedachten Wendungen.
Herausgekommen ist dabei eine Melange, die an Pierre Richards Kultfilm Der große
Blonde mit dem schwarzen Schu erinnert und mit dem Charme eines gewitzten
Sprachzauberers daherkommt. Fazit: Genuss pur für anspruchsvolle Leser, die auch mal
Fünfe grade sein lassen können. Und selbstverständlich schreit diese Geschichte nach
einer Verfilmung.
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