MAX HABERICH: ARTHUR
SCHNITZLER
Literarische Grazie und eine intensive Verwendung erotischer Aspekte prägten die Werke
des österreischiehn Erzählers und Dramatikers Arthur Schnitzler (1862-1931). Das brachte
dem zu seinen Hochzeiten weltweit erfolgreichen Autor bis heute aber auch den Ruf eines
gewissen Mangels an Tiefgang ein.
Um so verdienstvoller ist deshalb Max Haberichs Biographie Arthur Schnitzler. Anatom
des Fin de Siècle. Der Literaturwissenschaftler und Historiker gilt nicht nur als
ausgewiesener Schnitzler-Experte, er konnte auch etliche bisher nicht berücksichtigte
Quellen auswerten. Besonders aufschlussreich erwies sich dabei der umfangreiche
Briefwechsel zwischen Schnitzler und dessen Ehefrau Olga.
Dass der studierte Mediziner ein ganz großer Frauenfreund mit unstillbarem Sex-Hunger und
entsprechend zahllosen Affären war, überdeckt zuweilen, dass er literarisch zwar den
Typus des süßen Mädels einführte, zugleich jedoch für die Rolle der Frau
focht. Ohnehin stellt der Biograph die beißende Sozialkritik an der bürgerlichen
Doppelmoral heraus, die ja auch die Ausbeutung junger Frauen einschloss.
Doch auch mit seiner Stellung als Jude setzte sich der aus bürgerlichen Verhältnissen
stammende Arzt auseinander. Zu seinen Lebzeiten gab es zunächst die unter Kaiser Franz
Joseph II. in der k & k-Monarchie gewachsene recht weitgehende Gleichberechtigung der
Juden und dann den wachsenden Antisemitismus bis hin zu den großen gesellschaftlichen
Umbrüchen im frühen 20. Jahrhundert. Schrieb er einerseits scheinbar unpolitische
Theaterstücke, war er doch andererseits ein scharfzüngiger Kritiker, der dies
wortmächtig umzusetzen wusste.
Haberich untersuchte diese bisher zu wenig beachteten Aspekte und legt sie vor allem
entlang der Werke des Literaten offen. Die Einflüsse seines wechselvollen und immer
wieder auch von persönlichen Verlusten geprägten Lebens auf seine künstlerische Arbeit
werden in teils faszinierender Weise offengelegt.
Zugleich liegt darin die einzige Schwäche dieser ansonsten so treffsicheren Biographie:
die Auseinandersetzung mit den Werken ist sehr eingehend geraten und setzt beim Leser eine
recht genaue Kenntnis von Schnitzlers Schaffen voraus. Hier wäre für den interessierten
Laien ein Mehr aus den unmittelbaren Lebensumständen gegenüber der Werkanalyse zuweilen
wünschenswert gewesen. Insgesamt aber leistet dieses Buch Entscheidendes, indem es Arthur
Schnitzlers Bild in der öffentlichen Wahrnehmung weit schärfere und vor allem auch
zutreffendere Konturen verleiht.
|