NICOLE C. VOSSELER: „DER ENGLISCHE BOTANIKER“


Darjeeling-Tee und seltene dekorative und möglichst auch noch nützliche Pflanzen, all das soll der Botaniker Robert Fortune in China ausfindig machen und ins Vereinigte Königreich bringen. Mit diesem Auftrag entsendet die Horticultural Society of London den bisherigen Leiter der Treibhäuser in Chiswick Gardens 1843 ins Reich der Mitte.
Von diesem Abenteuer erzählt Nicole C. Vosseler in ihrem neuen Roman „Der englische Botaniker“. Wobei angemerkt sei, dass es einen Robert Fortune wirklich gab, der damals nicht nur unter anderem die Kiwi-Frucht nach Europa brachte, sondern auch verbotenerweise die begehrten Teesetzlinge aus China herausschmuggelte.
Dieser Entdecker war denn auch Vorbild für den 30-jährigen schottischen Gärtner dieser Geschichte, die vor dem historischen Hintergrund der gespannten Lage direkt nach dem 1. Opium-Krieg zwischen dem Britischen Empire und dem Kaiserreich spielt. Auch ohne die Feindseligkeiten der Chinesen gegen die „fan-kwai“, die fremden Teufel, wären die Strapazen mit tropischem Klima und schweren Krankheiten für den verschlossenen jungen Forscher belastend genug.
Sein Führer Wang ist kaum eine Hilfe, zumal Fortune selbst alles andere als ein Abenteurertyp ist. All die Hindernisse und das allgegenwärtige Misstrauen der Einheimischen scheinen die ohnehin gefährliche Reise tief hinein ins verwirrend exotische Riesenreich zu einem Fiasko werden zu lassen. Bis ihn bei einem Überfall einer räuberischen Horde eine seltsame Kämpferin rettet. Mit ihr tritt als Ich-Erzählerin Lian, die tugendhafte aber entwurzelte Schwertmaid ins Geschehen.
Und sie, die als „jianghu“, als Schatten, eine Art herumziehende Schwertkämpferin ist, eröffnet neue, verstörend sinnliche Dimensionen für diesen spröde poetischen Roman. Zunächst hält sie beobachtende Distanz, bleibt Fortune aber auf den Fersen. Um ihm dann allmählich immer öfter unbekannte Pflanzen von großer Schönheit zu zeigen und ihm auch die Tore zu den Gärten der Chinesen zu öffnen.
Vor allem jedoch findet er durch sie die Spur zu „Camellia sinensis“ und dem Geheimnis der gesuchten Teepflanze. Zugleich erfährt das Geschehen eine feminine und überaus sinnliche Note, denn je länger die Reise geht, desto mehr wird der zurückhaltende Fortune für die geheimnisvolle Lian „der sanfte Riese aus dem fernen Land“ und mehr. Zwischen die so unterschiedlichen Erzählstimmen kommt jedoch auch noch die Janes, denn der Botaniker hat daheim Frau und Kind.
Ihre Sehnsucht und Zweifel wie auch seine Tagebuchaufzeichnungen im Wechsel zu dem so andersartigen Blick der jungen Chinesin schaffen ein stimmiges Gesamtbild von beeindruckender Tiefe und Schönheit. Geschrieben in einem geruhsamen Fluss, fesselt die Geschichte mit ihrem irgendwie altmodischen Erzählstil, der der Thematik wunderbar angemessen erscheint.

# Nicole C. Vosseler: Der englische Botaniker; 501 Seiten; HarperCollins Verlag, Hamburg; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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