BERND SCHROEDER: WARTEN AUF
GOEBBELS
Berlin liegt längst in Trümmern, Alliierte und Rote Armee rücken unaufhaltsam vor
und ein Filmteam mit vielen großen Namen dreht in dem Heidedorf Altenburg den Film
Krahwinkel. Auf Veranlassung von Propagandaminister Joseph Goebbels höchst
persönlich soll der Monumentalstreifen vorsorglich für den Tag des Endsiegs hergestellt
werden.
Aus dieser hirnrissigen Idee hat Bernd Schroeder unter dem Titel Warten auf
Goebbels einen ebenso witzigen wie hintersinnig satirischen Roman geschaffen. Eines
sei dabei vorausgeschickt: so absurd das Ganze klingt, so gab es doch ein ganz konkretes
Vorbild dafür, das der Erfolgsautor hier genüsslich ausschlachtet. Der Film- und
Frauenfreund Goebbels hatte Ende 1944 tatsächlich den Durchhaltefilm Das Leben geht
weiter in Auftrag gegeben und dazu sogar die Grundidee schriftlich beigesteuert.
In dem fiktiven Altenburg lungert nun also eine Film-Crew mit etlichen der berühmtesten
Ufa-Stars herum. Und weil sich die Dreharbeiten wegen so mancher Engpässe an
Ausstattungsutensilien wie auch an jüngeren männlichen Komparsen hinziehen, gibt es
reichlich Gezicke zwischen all den weiblichen und männlichen Diven. Vieles an der
fiktiven wie auch der filmischen Handlung ist schlichtweg schräg, während andererseits
Reales eingestreut wird wie die Kurzmeldung eines anfliegenden US-Bomberverbandes auf
Berlin mit 1200 Flugzeugen.
Glaubhaft aber ist insbesondere die nicht nur vom Regisseur insgeheim bewusste
Zögerlichkeit bei der Fertigstellung des Streifens. Selbst die echten NS-Fans im Team
wissen nur zu gut: sind die Arbeiten abgeschlossen, gibt es keinen Grund mehr, sie nicht
noch in den hoffnungslosen Endkampf zu schicken. Was die absonderliche letzte große
Sternstunde nationalsozialistischen Filmschaffens dabei so besonders realsatirisch
erscheinen lässt, ist Schroeders Personaltableau, denn die meisten Chargen sind bis zur
Kenntlichkeit getarnt.
Und wie nahe zum Beispiel der selbstherrliche Viktor von Kolkwitz dem realen
NSDAP-Mitglied und Ufa-Star Victor de Kowa ist, macht gerade den speziellen Esprit dieses
so knapp und knochentrocken erzählten Romans aus. Selbst die historische Tatsache, dass
die Filmrollen beim Nahen britischer Truppen in einem Gotteshaus versteckt wurden und
später auf immer verschollen blieben, ist hier in einem der neckischen kleinen Epiloge
angemerkt. Fazit: ein groteskes Endspiel im Angesichte des Untergangs, wo sich Lügen und
Grauen, Eitelkeiten und Absurdität ein köstliches Stelldichein gönnen.
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