BERNHARD KEGEL: ABGRUND
Der legendenumwobene Galapagos-Archipel ist der Schauplatz von Bernhard Kegels neuem
Wissenschaftsroman Abgrund. Eine seltsame Spezies Haie und das um sich
greifende Absterben immer größere Korallenbereiche stehen aus Sicht der Forscher um
Hermann Pauli im Mittelpunkt des Geschehens.
Eingeladen vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) konnte der promovierte
Biologe Kegel dafür durch das Projekt Fiction meets Science in der
faszinierenden Inselwelt recherchieren. Sein Held Pauli ist vor Ort mit seiner neuen
Partnerin Anne Detlefsen, hauptberuflich Leiterin der Kieler Mordkommission. Allerdings
schmollt die in der Inselhauptstadt Santa Cruz, weil Pauli mit zwei Kollegen von der
örtlichen Charles-Darwin-Forschungsstation mit einem kleinen Schiff ohne sie zu einer
anderen Insel gefahren ist.
Einen Hai suchen sie, der flüchtig auf Unterwasserfilmaufnahmen auftauchte und zu keiner
bisher bekannten Spezies passt. Im Laufe der spannenden Tauchaktionen bricht auch noch der
Vulkan La Cumbre auf einer nahen Insel aus. Erste Erkenntnisse der Forscher sind
elektrisierend, denn vieles weist auf erstaunliche Hybrid-Entwicklungen in Fauna und Flora
hin gerade hier, wo einst Charles Darwin der Evolution auf die Spur kam.
Doch der Roman geht nicht nur intensiv auf derartige Forschungsarbeiten und teils
gravierende Umweltveränderungen ein, sondern auch auf Probleme und Abgründe der
Forschungsarbeit selbst. Da erlebt Anne spannungsgeladene Konfrontationen zwischen den
Forschern und den örtlichen Fischern. Die fürchten aufgrund zu vieler Umweltauflagen
nicht nur um ihre Existenz durch kontrollierte Fangertrgäge sondern auch um die dringend
benötigten Einnahmen der immer häufiger auftauchenden Passagiere von Kreuzfahrtschiffen.
Nun aber scheint es auch noch gewaltsame Aktionen zu geben und nachdem bereits zwei
Segelboote im Hafen nächstens abgefackelt wurden, gibt es bei einem dritten Brandanschlag
sogar einen Toten. Und unter den aufgeregten Forschern tun sich überengagierte Hitzköpfe
hervor, die mit einem Flugblatt mit flammenden Umweltappellen einen Aufruhr der Fischer
auslösen. Als Rädelsführer erweist sich dabei der junge deutsche Korallenforscher David
Bartels.
Anne Detlefsen beobachtet die bedrohlichen Zusammenstöße mit Sorge und als Kriminalistin
fällt es ihr schwer, sich zurückzuhalten. Das Problem nimmt ihr der aus Ecuador
eingeflogene Polizeiinspektor Nunez ab, der die Kollegin nur zu gern zu Rate zieht. Nur
schwer gelingt es, die hitzigen Zusammenstöße in den Griff zu bekommen. David Bartels
aber gerät endgültig ins Visier als Ökoterrorist und entzieht sich seiner
Verhaftung mit einer spektakulären Flucht. Mehr sei jedoch nicht verraten, denn spannend
bleibt der Roman durchaus.
Er glänzt dabei mit großartigen Einblicken in die Naturforschung mit verblüffenden
Erkenntnissen über die Evolutionsmomente gewissermaßen im Zeitraffer. Wer sich also für
dieses Thema interessiert, kommt hier voll auf seine Kosten. Als Roman allerdings weist
Abgrund massive Schwächen in Stil und Dramaturgie auf. Ganze Passagen klingen
nach einem kundigen aber überdrehten Greenpeace-Idealisten, dessen Werk unbedingt von
einem strengen Lektorat entschlackt gehört hätte. Fazit: inhaltlich sehr interessant,
literarisch dagegen ein begrenztes Vergnügen.
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