CLEMENS BERGER: „IM JAHR DES PANDA“


Macht Geld wirklich glücklich und wenn ja, wie viel muss es sein? Das ist die Frage, die der österreichische Erfolgsautor Clemens Berger in seinem gewaltigen neuen Roman mit dem Titel „Im Jahr des Panda“ stellt. Im Mittelpunkt stehen dabei 536.460 Euro oder genauer gesagt, die Art der Beschaffung und was sie aus ihren Besitzern machen.
Da sind Pia und Julian, ein junges Wiener Paar, das nach verschiedenen Versuchen nicht nur zueinander sondern auch zu einem festen gemeinsamen Nachtjob gefunden hat. Allnächtlich befüllen sie die Geldautomaten mit frischem Geld. Während Julian ein harmloser eher fantasieloser Fußballanhänger ist, pflegt Pia linkes Gedankengut. Allerdings hecken sie dann gemeinsam den lukrativen Ausstieg für ein ganz anderes Leben aus.
Schließlich sitzen sie an der Quelle und da sie „nur“ die Bundesbank und nicht private Leute schädigen, haben sie auch kein schlechtes Gewissen. Bevor sie auf die Flucht gehen, schwören sie einander allerdings: „Wir lassen uns nicht verderben davon.“ Und Pia verabschiedet sich ins neue Leben mit einer Geldverschenkaktion an zufällige Passanten. Und an einen Bettler, der völlig verblüfft einen 500 Euroschein entgegennimmt.
Mit ihm kommt ein zweiter Handlungsstrang in Gang mit einer höchst komplexen Figur, denn der Beschenkte ist Kasimir Ab, der als Maler derartig „in“ ist, dass seine Bilder astronomische Honorare einbringen. Sein Straßendasein entspringt lediglich seiner Abscheu gegenüber diesen kapitalistischen Ausuferungen des Kunstbetriebes. Kasimir ist jedoch vermutlich auch der Einzige, der Pia sofort auf den Fahndungsfotos wiedererkennt.
Seine Pirouetten gegen die große Gier führen ihn gleichwohl in einen Strudel absurder Ereignisse, bei denen die schöne Tschechin Lydia eine intensive Rolle spielt. Mindestens so narzisstisch und schräg wie Kasimir kommen jene des „Unbekannten Künstlers“ hinzu. Dieser anonyme Aktivist verbreitet mit seinen Botschaften und Aktionen unter dem Einfluss einer altmodischen Wahrheitsdroge derartige Irritationen, dass er ähnlich wie Pia und Julian alsbald in aller Munde ist.
Der wahre Star der öffentlichen Aufmerksamkeit in diesem Sommer wird jedoch gerade erst geboren: im Tiergarten Schönbrunn gibt es die extrem seltene Geburt eines Pandabären in Gefangenschaft. Damit sind der kleine Fi Fo und seine Pflegerin, die unscheinbare Rita, auf der dritten Handlungsebene. Wobei einerseits nun als zuweilen etwas ausufernde Tagebuchaufzeichnungen des Pandanachwuchs wie andererseits auch Ritas Privatleben eine gewisse Bedeutung erlangen, ist sie doch Pias Mutter, wenn auch ziemlich distanziert.
Als größtes Abenteuer dieses jungen und ziemlich ungebärdigen Romans entfaltet sich zwangsläufig die Flucht des Paares in wahrhaft exotische bis abseitige Weltgegenden. Doch Clemens Berger hat alle Handlungsstränge ebenso kunstvoll wie abwechslungsreich miteinander verknüpft. Das lebt dann insbesondere durch die hinreißenden Haupt- und Nebenfiguren und diesen steten Wechsel von direkter und teils derber Sprache und fein ziselierten Passagen.
Dieser mit unbekümmerten Schwung und manch subversivem Humor glänzend geschriebene Roman beginnt gemächlich, führt aber bald in eine unwiderstehliche Sogwirkung. Fazit: ein literarisches Juwel und wer dann nach dem Happyend fragt – es wäre denkbar, obwohl auch durch viel Geld nicht zwingend alle Probleme gelöst sind...

# Clemens Berger: Im Jahr des Panda; 670 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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