GREGORY DAVID ROBERTS: „IM SCHATTEN DES BERGES“


Viele Jahre hat Gregory David Roberts seine Fans auf die Fortsetzung seines Welterfolges „Shantaram“ warten lassen. Nun endlich legt der gebürtige Australier mit „Im Schatten des Berges“ das nächste Epos vor und erneut darf man sicher sein, dass es weitgehend autobiografisch ist.
Sein alter ego Lindsay „Lin“ Ford war ja einst als Schwerverbrecher aus der langjährigen Haft entflohen und in der indischen Riesenmetropole Mumbai (die er allerdings beharrlich mit dem alten Namen Bombay benennt) untergetaucht. Dort wurde er einerseits als Shantaram ein „Mann des Friedens“, der sich als Arzt rührend um die Slumbewohner kümmert, andererseits jedoch mit so vielen illegalen Geschäften seinen Lebensunterhalt verdient, dass er zum wichtigen Mitspieler in der örtlichen Unterwelt wird.
Zur Fülle der Figuren gehörten allen voran seine große Liebe Karla sowie der Mafiaboss Khaderbai, der zugleich Lins Freund und Mentor wurde. Der neue Roman setzt nun zwei Jahre nach dem ersten ein und Khaderbai lebt nicht mehr. Lin kehrt soeben von einem heiklen Auftrag nach Bombay zurück, tut sich aber schwer mit dem neuen Mafiaboss.
Am liebsten würde der umtriebige Ich-Erzähler der Stadt den Rücken kehren, doch zwei unausweichliche Gründe stehen dem entgegen. Schließlich lebt Karla noch immer hier, auch wenn sie anderweitig verheiratet ist, und dann ist da noch ein uneingelöstes Versprechen, das er seinem großen Mentor einst gab, nach dem er den titelgebenden Berg besteigen soll, um Idriss zu finden, einen legendären Weisen.
Bevor es dazu jedoch kommt, taucht Lin wieder tief ein in die Slums der Metropole und in all die gefährlichen kriminellen Machenschaften in einer ebenso knallharten wie unübersichtlichen Unterwelt. Wo der Ire Concannon sein schärfster Widersacher ist, zumal er Lin schon vom Grundsatz her ablehnt. Da wo der Australien-Flüchtling eine tiefe Beziehung, ja innige Liebe zur einheimischen Kultur entwickelt hat, hasst Concannon genau diese gesamten Lebensumstände abgrundtief.
Während das Geschehen über weite Strecken ähnlich bewegt und fesselnd wie in „Shantaram“ bleibt, öffnen sich später allerdings noch ganz andere Dimensionen hin zum Philosophischen und Religiösen. Auf dem Weg zu dem geheimnisvollen Guru auf dem Berg trifft Lin zwar zunächst einen betrügerischen „Heiligen Mann“, ans Ziel gelangt, ergeben sich jedoch großartige Dialoge, die den Roman mit ihrer Sinnsuche auf eine einnehmende Weise bereichern.
Fast schon erwartungsgemäß ist es dem Autor nicht ganz gelungen, den Geniestreich von „Shantaram“ zu wiederholen. Doch die virtuose Art des sehr maskulin geprägten Erzählens mit einer unfassbaren Fülle exzellent gezeichneter Charaktere und dieser Gabe, ganz tief in das Wesen dieser quirligen Großstadt einzutauchen, machen auch diesen Nachfolgeroman zu einem opulenten literarischen Lesevergnügen. „Im Schatten des Berges“ kann dabei durchaus als Solitär gelesen werden, größer aber sind Verständnis und Genuss, wenn man den Vorgängerroman ebenfalls gelesen hat.

# Gregory David Roberts: Im Schatten des Berges (aus dem Englischen von Sibylle Schmidt); 991 Seiten; Goldmann Verlag, München; € 26,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: NF 330 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de