LILY KING: „VATER DES REGENS“


Von der schier unüberwindlichen Abhängigkeit einer jungen Frau von ihrem äußerst narzisstischen Vater handelt der neue Roman von US-Erfolgsautorin Lily King. „Vater des Regens“ lautet der Titel und Ich-Erzählerin ist Daley Armory.
Der erste Teil des Romans führt in deren Kindheit zurück, als sie elf ist und ihre Mutter die Familie verlässt. Sie konnte Gardiner Armory, den egozentrischen selbstherrlichen Spross aus gutem Hause, mit seinen chaotischen Allüren einfach nicht mehr ertragen. Für das Mädchen aber ist der häufig unbeherrschte und zu rassistischen Witzen neigende Alkoholiker trotz allem eine Art Held, den sie verehrt. Und sie meint nun, irgendwie die Mutter ersetzen zu müssen.
Mit dem oft typischen Charisma des Narzissten hat Gardiner das Mädchen schon immer betört und hinterlistig einen Anflug von unverbrüchlicher Loyalität bis hin zu Verantwortungsgefühl geschürt. Doch der erratische Charmeur bindet sich bald neu und da wird die hingebungsvolle Tochter zunehmend zum Störfaktor. Bis hin zum Bruch, der Daley auf Jahre in ein anderes Leben zwingt.
Was nur zu ihrem Besten führt, denn in Jonathan findet sie einen wunderbaren Partner und im Studium ist sie so erfolgreich, dass ihr eine Professur an der renommierten University of Berkely bevorsteht. Doch just in diese glückliche Phase, jetzt mit Ende 20, platzt ein Notruf ihres Bruders: der Vater hat sich von der zweiten Frau getrennt und verfalle dem Alkohol. Als hätte man einen Schalter umgelegt, schrillt sofort Daleys altes, sehr persönliches Helfersyndrom wieder auf: er braucht sie, denn nur sie kann ihm helfen.
Sie lässt tatsächlich privates Glück und Karriere sausen und unterliegt der fatalen Versuchung, die Heilsbringerin für diesen heruntergekommenen Manipulator zu spielen. Und es streichelt ihr eigenes Seelenheil, ihn zu den Anonymen Alkoholikerin zu bringen und ihm den Haushalt zu führen und – ihn so nicht zu verlieren. Bis er erneut eine Beziehung eingeht und sie einmal mehr zur gequälten Märtyrerin wird.
Das Alles hat eine tiefe Tragik in der verstörenden Aufrichtigkeit ihrer Liebe füreinander, in der sein Verhalten und ihre Hingabe sie aneinander fesseln. Wäre sein Hang zur Rohheit ein wenig aggressiver ausgeprägt oder wären seine frühen sexuellen Übergriffigkeiten deutlicher als solche gewesen – vielleicht hätte seine Monstrosität Daley hinreichend abgeschreckt, um sich von ihm zu befreien. So jedoch bleibt da stets das Hoffen auf diese kleinen Glücksmomente, wenn er sie mal wieder wie einst ebenso betörend wie besitzergreifend zärtlich in die Arme nimmt.
Sehr intensiv und intelligent hat die Autorin diese obsessive Beziehung zwischen Vater und Tochter beschrieben. Früh hat er sie zum Opferlamm gemacht und in ihr eine Hörigkeit herangezüchtet, indem sie ihn abgöttisch liebt, während er offenbar nur sich selbst liebt. Fazit: ein komplexer Roman, exzellent geschrieben, aber auch eine Herausforderung.

# Lily King: Vater des Regens (aus dem Amerikanischen von Sabine Roth); 399 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 21,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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