ANDREW NORRISS: JESSICAS
GEIST
Eine jugendliche Selbstmörderin im Mittelpunkt eines Romans für junge Leser ab etwa
zwölf Jahre und trotzdem ein durch und durch positives Buch? Dieses Kunststück ist dem
englischen Erfolgsautor Andrew Norriss mit Jessicas Geist gelungen.
Alles beginnt an einem kalten Februarmorgen auf dem Schulhof, als Francis sich in der
Pause mal wieder ins Abseits verdrückt. Er ist nun mal ein Außenseiter, der schikaniert
wird, weil er sich für Mode und Puppen interessiert und selbst Kleider für sie näht.
Als noch ungewöhnlicher aber erweist sich das Mädchen, das auf einmal neben ihm
auftaucht.
Wegen ihres leichten Sommerkleides bietet er ihr von seinem heißen Tee an und sie
reagiert völlig perplex. Niemand sonst konnte sie seit einem Jahr sehen, denn sie ist tot
und nur ein Geist. Doch sie verstehen sich auf Anhieb und werden bald unzertrennliche
Freunde, auch wenn Jessica weiterhin rätselt, warum sie herumgeistert und wieso sie immer
wieder in das Krankenhaus zurückkehren muss, in dem sie offenbar gestorben ist.
Bald jedoch wird ihre Freundschaft, bei der sie als unsichtbare Klassenkameradin sehr
hilfreich sein kann und sie andererseits seine Nähstube auf dem Dachboden liebt, auf die
Probe gestellt. Francis' Mutter hatte die blöde Idee, eine neue Nachbarin mit ihrer
rüpelhaften, unmädchenhaften Tochter Andi einzuladen. Doch auch die kann
überraschenderweise Jessica sehen, was verblüffende Veränderungen bei ihr bewirkt. Und
schließlich kommt noch der fettleibige, ungesellige Computerfreak Roland in den kleinen
Kreis der Sehenden.
Mehr darf um der erstaunlichen Geschichte willen nicht verraten werden, die sofort fesselt
und bei aller unterschwelligen Ernsthaftigkeit mit allerlei Wendungen und Situationskomik
begeistert. Geschrieben ist das höchst intensiv und überzeugend und wenn auch so manche
tragischen Momente tief unter die Haut gehen, gleitet das dann jedoch nie ins Rührselige
ab.
Andrew Norriss hat hier auf solch grandiose Weise Themen wie Depressionen im Schüleralter
sowie Andersartigkeit und Mobbing in eine spannende Geschichte eingebracht, dass man sie
dringend auch für Eltern und den Schulbetrieb empfehlen möchte.
|