TIM WEINER: „EIN MANN GEGEN DIE WELT“


Richard Milhous Nixon (1913-1994) wurde 1969 zum 37. Präsidenten der USA. Er war ein paranoider Fiesling, der in vielerlei Hinsicht gegen die geltenden Gesetze verstieß. Und er war der bisher einzige US-Präsident, der zurücktreten musste, um seiner sicheren Amtsenthebung zu entgehen.
Viele Publikationen haben sich mit ihm und seiner in weiten Teilen unrühmlichen politischen Vita befasst. Gleichwohl legt Tim Weiner, Enthüllungsjournalist und zweifacher Pulitzer-Preisträger, nun ein Werk zu dem vielgehassten Politiker vor, das so bisher gefehlt hat. „Ein Mann gegen die Welt“ lautet der Titel, der deutsche Untertitel „Aufstieg und Fall des Richard Nixon“ geht allerdings etwas fehl, denn das Buch beschränkt sich weitgehend auf seine Zeit im Weißen Haus.
Aber die hatte es wahrlich in sich, wie man schon von den allgemein bekannten Fakten weiß. Auch Weiner hat dem nicht viel an großen neuen Erkenntnissen hinzuzufügen. Den hohen Wert seiner Recherchearbeit hat vielmehr, dass er endlich freigegebenes Quellenmaterial aufarbeiten konnte, so dass hier durchgehend ausschließlich Quellen aus erster Hand zum Tragen kommen. Nixons dunkle Charakterseiten wie extremes Misstrauen, Rachsucht und Kontrollwahn bei gleichzeitig rücksichtslosem Ehrgeiz sorgten unter anderem für nahezu allumfassende Abhörpraktiken.
Allein die Tonbandmitschnitte – großenteils direkt aus dem Oval Office oder den sogenannten geschützten Räumen im Weißen Haus, die Weiner ausgewertet hat, umfassen 2636 Stunden. Und sie belegen unzweifelhaft Nixons paranoide und vulgäre Art, aber auch Originaltöne von Depressionen, Verzweiflung und Hass. Hinzu kamen seine extreme Schlaflosigkeit und der Alkohol, von dem der in einer alkoholabstinenten Quäker-Familie Aufgewachsene zeitweise gerade in Krisensituationen „Unmengen“ in sich hineinschüttete.
Legendär und weitgehend verfassungswidrig war seine institutionalisierte Geheimniskrämerei, die sogar so weit ging, dass im Rahmen des Vietnam-Krieges massive Bombardements auf Kambodscha erfolgten, von denen die Öffentlichkeit erst viel später unbeabsichtigt erfuhr. Untermauert wird gerade aus dieser besonders heiklen Krisenzeit im zweiten Amtsjahr, als Nixon mit der fatalen Kambodscha-Invasion Vietnam besiegen und außenpolitisch als Friedenspräsident prunken wollte und daheim die Antikriegsbewegung derartig als Kommunisten und Volksfeinde dämonisierte, dass es im selben Mai 1970 zum Kent State-Massaker in Ohio mit erschossenen Studenten kam, dass schon hier Stimmen aus Reihen der Parlamentarier eine Amtsenthebung forderten.
Mixon stand zu dieser Zeit ausweislich der Tonbandprotokolle am Rande des Zusammenbruchs. Schon hier war der Intimus und Einflüsterer – beinahe im Stile eines Mephisto – sein mächtiger Sicherheitsberater Henry Kissinger. Spannend lesen sich dann die weltpolitischen Entspannungsbemühungen, wo das Gespann einige weitreichende Erfolge erzielte, insbesondere der Clou mit der Annäherung an China. Doch parallel zu diesem Geniestreich gab der Präsident höchst persönlich das Signal zu jener Schandtat, die ihn konkret das Amt kosten sollte: Watergate.
Von ihm erhielten die „Klempner“ grünes Licht, um in den Bürokomplex einzubrechen, um die dortige Zentrale der Demokratischen Partei zu verwanzen. Aufzeichnungen und Tonbänder belegen es unmissverständlich: Nixon selbst trug die Verantwortung, als er sich zur Sicherung seiner Wiederwahl solcher krimineller Tricks bediente. Hinterlist, latente Gewalttätigkeit und die Skrupellosigkeit gegen krummen Dingen zum eigenen Nutzen gehörten zu seinem Charakter.
Wie übrigens auch Neid und Eifersucht auf anderer Leute Erfolge. So ist der deutschen Ausgabe des Buches eigens ein Kapitel hinzugefügt, in dem Begegnungen von Nixon und Bundeskanzler Willy Brandt beschrieben werden. Nixon traute dem „Hurensohn Brandt“ nicht über den Weg und war andererseits zutiefst neidisch auf dessen Friedensnobelpreis für seine Ostpolitik mit den von von jeher verhassten Kommunisten.
Tim Weiner macht kaum ein Hehl aus seiner Abneigung gegen Nixon, was aber wohl lediglich einige Charakterisierungen tangiert, nicht jedoch die Auswertung des umfangreichen nachprüfbaren Materials. Mit Erschrecken muss man erkennen, dass dieser Präsident ein noch größeres Übel war, als ohnehin bisher bekannt. Manche der Schäden, die er im politischen System der USA anrichtete, wirken bis heute nach.
Und denkt man dann einen Donald Trump, der bei allen charakterlichen Mängeln im Gegensatz zu Nixon auch noch
mit politischer Geisterfahrermentalität und Unerfahrenheit ins höchste Amt drängt...

# Tim Weiner: Ein Mann gegen die Welt. Aufstieg und Fall des Richard Nixon (aus dem Amerikanischen von Christa Rummer-Lehmair und Rita Seuß); 458 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 24,99


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bio 368 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de