HAN KANG: DIE
VEGETARIERIN
Vegetarismus als subversiver Akt im engen Netz der gesellschaftlichen Normen in Südkorea,
daraus hat Han Kang einen so außergewöhnlichen Roman einer Befreiung durch Verweigerung
bis hin zur Selbstauflösung geschaffen, dass der in diesem Jahr sogar den internationalen
Man Booker Literaturpreis gewann.
Han Kang erzählt in Die Vegetarierin von Yong-Hye, die seit Jahren als
unscheinbare brave Ehefrau mit einem ebenfalls völlig durchschnittlichen Ehemann eine
leidenschaftslose Ehe führt. Bis sie von einem Tag zum anderen aufhört, Fleisch zu
essen. Lapidare Begründung: Ich hatte eine Traum. Nicht von ungefähr
erinnert diese Verwandlung an die berühmte aus Kafkas gleichnamigem Werk, allerdings mit
dem Unterschied, dass diese nicht unfreiwillig erfolgt.
Die Folgen sind jedoch gleichermaßen von massiver Schicksalhaftigkeit für die
Anti-Heldin, die bei aller Auflehnung gegen die von ihr erwartete Haltung als
funktionierende Ehefrau doch so sprachlos bleibt, dass sie nicht einmal selbst
von dem Strudel erzählt, den sie durch ihre Entscheidung auslöst. Es ist ihr
fassungsloser Ehemann, der im ersten Teil von diesem Akt des Ungehorsams erzählt. Der
beim Eingreifen der strengen Familie gewaltsam eskaliert.
Diesem Auftakt mit seiner kargen Prosa folgt eine höchst sinnliche Mitte, in der die
inzwischen allein Lebende davon träumt, eine Pflanze zu werden. Als Erzähler fungiert
nun ihr Schwager, ein etwas verschrobener Künstler. Schon immer verliebt in sie, nutzt er
ihre Obsessionen aus, um endlich mit ihr schlafen zu können. Bizarre Szenen mit bemalten
Körpern, die sich vor laufender Kamera wie Pflanzen umeinander zu ranken scheinen, enden
jedoch schließlich mit der Einlieferung Yong-Hyes in die Psychiatrie.
Aus der dann ihre Schwester den Weg der wahnhaften Vegetarierin in das als glückhaft
empfundene Hungern schildert. Die Metamorphose schreitet fort und die Sehnsucht nach
Befreiung kennt nur noch ein Ziel: die Selbstauflösung. Fazit: die Südkoreanerin
verstört mit diesem Roman ähnlich wie einst Kafka mit der Verwandlung und
fasziniert zugleich mit seiner spröden Kompromisslosigkeit.
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