LIZA KLAUSSMANN: „VILLA AMERICA“


„Sara & Gerald Murphy, Villa America, Antibes/France“ - diese Adresse gab es wirklich in den 20er- und 30er Jahren an der Côte d'Azur. Die US-Erfolgsautorin Liza Klaussmann hat sie nun zum Schauplatz ihres jüngsten Romans „Villa America“ gemacht, Fiktion vor realem Hintergrund mit fast ausnahmslos historischen Figuren.
Die Murphys, beide aus begüterten amerikanischen Kreisen und gewissermaßen vor ihrer beider Eltern nach Frankreich entwichen, weil die gegen diese Ehe waren, wurden zum Mittelpunkt der feierwütigen sogenannten „Lost Generation“. Ihre Villa America wurde zum Inbegriff von Extravaganz, Exaltiertheit und Genusssucht. Um sie und ihre legendären Parties ranken sich wilde Gerüchte und die meisten sind zutreffend.
Die angesagtesten Vertreter der Lost Generation, die den Ersten Weltkrieg mehr oder weniger unbeschadet überstanden hatten, kamen. Hemingway, Dos Passos, Picasso und die Fitzgeralds waren dabei, wenn all die Ausschweifungen und Exzesse, Affären und Liebeleien die Sommermonate befeuerten. Picasso schuf hier Gemälde von Sara Murphy und F. Scott Fitzgerald soll das Paar sogar erkennbar in seinem berühmten Roman „Zärtlich war die Nacht“ verewigt haben.
Klaussmann aber spießt ein anderes, nie bewiesenes Gerücht auf: das über Gerald Murphys ambivalente sexuelle Orientierung. Angeblich gab es Anzeichen einer unterdrückten Homosexualität, wenngleich keinerlei Beweise für irgendeinen konkreten Ehebruch vorliegen. Hier jedoch wird mit Owen Chambers ein ebenso interessanter wie schillernder Charakter eingeführt, für deren Existenz nur eine verbürgte Randnotiz vorhanden ist.
Zu einer speziellen Party zu Ehren Ernest Hemingways ließen die Murphys Kaviar vom Kaspischen Meer eigens per Privatflugzeug einfliegen. In diesem Roman ist es Chambers, dessen Vorgeschichte ein größeres Kapitel zu Beginn einnimmt. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend, verdingte er sich im Ersten Weltkrieg bei den Franzosen als Kampfflieger. Ausführlich und eindrucksvoll wird diese harte Zeit beschrieben, die Chambers nur mit dauerhaften körperlichen Schäden überlebte.
Umrissen werden allerdings auch die frühen Jahre der Murphys, wobei vor allem Gerald eine Prägung durch das Fehlen jeglicher elterliche Zuwendung erfuhr. Die spätere so quälende und tragisch endende Affäre der beiden Männer zieht sich dann durch die äußerst wechselhafte Zeit aller Beteiligten bis gegen Ende der 20er Jahre. Bei all dem weht stets ein Hauch von Großer Getsby durch das Geschehen, das hier so ruhig und distingiert erzählt wird und als erlesener Briefroman auf der Grundlage überwiegend authentischer Briefwechsel endet.
In einem Anhang zu diesem anspruchsvollen Roman geht die Autorin detailliert auf konkrete Anregungen und fiktive Freiheiten ein. Fazit: kein Tatsachenroman, aber es könnte so gewesen sein und – dann ist es doch wunderbar erfunden.

# Liza Klaussmann: Villa America (aus dem Amerikanischen von Michaela Grabinger); 489 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN 8WAN7JULIUS)

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