JAMES RHODES: „DER KLANG DER WUT“


Nein, eine Biographie im herkömmlichen Sinne ist das nicht, was der britische Pianist James Rhodes mit seinem Buch „Der Klang der Wut“ vorlegt. Eher ist es eine erschütternde bis verstörende Zustandsbeschreibung eines Menschen, der seit seiner Kindheit mit dem Trauma der Vergewaltigung leben und umgehen muss.
Das Wort Missbrauch lehnt er selbst für das, was ihm widerfahren ist, ab. Von seinem Sportlehrer in der Schule jahrelang zu sexuellen Handlungen gezwungen, ohne dass seine Eltern es auch nur geahnt hätten, bestimmen diese Erfahrungen sein weiteres Leben und bringen ihn immer wieder an den Rand des Abgrunds. „Letztlich ist der Grund für meine Wut die Erkenntnis, dass in diesem Leben nichts und niemand mir helfen kann, diesen Zustand zu überwinden...“
„Als Kind vergewaltigt zu werden, ist der Mount Everest des Traumas.“ Und so ist Rhodes' Leben bis zum dreißgsten Lebensjahr eine Achterbahnfahrt von Abstürzen in Alkohol- und Drogensucht, Selbstmordversuche, Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken bis hin zu Selbstverletzungen mit Rasierklingen. Auch eine erste Ehe geht in die Brüche, weil er überhaupt nicht zu angemessenen Gefühlen in der Lage ist.
Das alles, worüber er jahrelang gar nicht sprechen konnte, bricht quasi ungefiltert aus ihm heraus in einer drastischen Sprache, die für sich zunächst schockiert. „Von klassischer Musik krieg ich 'n Ständer“, stimmt er den Leser schon mit dem ersten Satz auf das ein, was noch kommen wird. Schonungslos schildert er auch den Missbrauch selbst und die Scham und den Ekel vor sich selbst, die sein gesamtes Leben bestimmen.
Neben seinem Sohn, zu dem er „als die biologische Fortsetzung der eigenen Seele“ eine intensive Beziehung aufbauen konnte, wird die Musik zu seinem eigentlichen Rettungsanker. An sich fast unmöglich im Alter von annähernd 30 Jahren, nachdem er zehn Jahre lang nicht mehr Klavier gespielt hatte, noch eine Karriere als Pianist aufzubauen, gelingt ihm das mit Hilfe wohlmeinender Lehrer und Gönner.
Ob es auch für den Absatz seiner Musik förderlich ist, dieses Buch geschrieben zu haben, sei dahingestellt. Die Darstellung der lebenslangen Folgen und Wirkungen der Vergewaltigungen in seiner Kindheit ist gleichwohl zu einem bedrückenden und trotzdem lesenswertem Dokument geworden. Und vielleicht braucht es die drastische Sprache, um dan das heranzukommen, was in einem Menschen vorgeht, der solche Erlebnisse verarbeiten muss.

# James Rhodes: Der Klang der Wut – Wie die Musik mich am Leben hielt (aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini); 320 Seiten; Nagel & Kimche Verlag, München; € 22,90

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