PAOLO BACIGALUPI: „WATER – DER KAMPF BEGINNT“


Ist das vorstellbar: Milizionäre am Flussufer, die als Scharfschützen Menschen abknallen, die aus dem jenseitigen US-Bundesstaat in den ihren gelangen wollen? Oder Paramilitärs, die mit Kampfhubschraubern in der Wüste von Arizona eine Wasseraufbereitungsanlage zerstören, die eine Stadt mit 100.000 Einwohnern versorgt?
Das ist die Gegenwart in Paolo Bacigalupis neuem Thriller „Water – Der Kampf beginnt“. Und die ist gar nicht so weit weg von heute, denkt man an die massive Dürre im Südwesten und Westen der USA, wo z.B. einst der mächtige Hoover-Staudamm weit mehr als nur Las Vegas und den Lake Mead mit reichlich Wasser aus dem Colorado River füllte. Dieser Roman nun führt in eine ziemlich absehbare Zukunft, wo die weltweit prophezeiten Kriege nicht um Öl sondern um Wasser Realität zu werden drohen.
Das ehemals prosperierende Texas liegt danieder, Arizona bröckelt und seine (heute noch) glanzvolle Metropole Phoenix verfällt in Elend und Daseinskämpfen. Texanische Flüchtlinge, einheimische Verlierer, irrationale Glaubensfanatiker und der Liter Wasser kostet 10 Dollar. In Nevada jedoch sieht es anders aus, denn dort herrscht Catherine Case, Chefin der SNWA (Southern Nevada Water Authority) als „Königin des Colorado“ über das glitzernde Las Vegas mit seinen Arkologien, den Luxuswohntempeln für die „Fünfer“, die Privilegierten.
Vor allem aber kämpft sie mit härtesten Bandagen und schickt nötigenfalls ihre sogenannten Waterknives, um Wasserrechte zu bewahren oder zu ergattern. Ihr oberster Mann fürs Grobe ist Angel Velasquez. Den Hartgesottenen holte sie einst aus dem Knast und machte ihn zu einer Art persönlichem 007, die Lizenz zum Töten inklusive. Nun entsendet sie ihn nach Phoenix, denn sie hat Gerüchte gehört von neu entdeckten Wasserquellen. Oder sind es Dokumente über alte Wasserrechte, die unter den heutigen Bedingungen Milliarden wert wären und außerdem ihren eigenen Machtbereich gefährden könnten?
In der von Dürre und Sandstürmen wie auch von Elendskriminalität und Korruption ausgemergelten Großstadt hat derweil die Pulitzer-preisgekrönte Journalistin Lucy Monroe von ominösen Dokumenten erfahren, die Jamie, einen guten Freund von ihr, reich machen sollen – über Wasserrechte! Während Angel mit seiner Recherche beginnt, entdeckt Lucy Jamie als bestialisch zugerichtetes Opfer in der Leichenhalle.
Eine extrem brutale, erbarmungslose Jagd hat begonnen, in der die knallharten, gewieften Wasseragenten aus Kalifornien nur ein Teil der ebenso unüberschaubaren wie unberechenbaren Schar von Jägern sind. Mittendrin gerät die längst durch viele Höllen gegangene Maria, Elendsflüchtling aus Texas mit dem unbändigen Drang in den Norden – wo es sogar noch Regen gibt – als Kaufgirl ausgerechnet an jenen Privilegierten, der im Besitz des von allen gejagten Schatzes sein soll. Und ebenfalls einen barbarischen Tod stirbt.
Verrat, wechselnde Fronten. Folter und wilde Jagden machen diesen Thriller zu einer atemberaubenden Lektüre. Es funkelt, wenn Angel und Lucy aufeinandertreffen, für und gegeneinander stehen, wenn Marias geradezu animalischer Überlebenswille selbst von Kojoten auf die harte Probe gestellt wird. Und sich zuweilen Freunde als Todfeinde erweisen.
Wie der Krieg um uralte Wasserrechte der Pima-Indianer ganze Stadtviertel in Flammen aufgehen lässt und das versiegende Lebensnass jegliche Zivilisation vernichtet, das ist trotz aller scheinbarer Übertreibung erschreckend authentisch. Ja, selbst die hier so eiskalt agierende Wasserkönigin Case, die mit einem Federstrich ganze Landstriche dem Untergang weiht, hat ein reales Vorbild: Patricia Mulroy, die langjährige erfolgreiche Chefin der real existierenden SNWA in Las Vegas.
Paolo Bacigalupi hat das mit grimmiger Härte und zugleich so realistisch geschrieben, dass man kaum von Postapokalypse reden mag, so nah fühlt sich diese erschreckende Vision der Zukunft an. Fazit: ein Thriller der Extraklasse, allerdings ganz und gar nichts für Zartbesaitete.

# Paolo Bacigalupi: Water – Der Kampf beginnt (aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller); 462 Seiten; Blessing Verlag, München; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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