MICHAELA HELMBRECHT (Hrsg.): „WIKINGER!“

 
Raubeinige Seefahrer auf barbarischen Plünderfahrten, Eisenhelme mit Hörnern auf dem Kopf und ständig saufen sie Metwein – so ungefähr ist unser landläufiges Bild von den Wikingern. Und voller Klischees und Mythen, mit denen derzeit die große Erlebnisausstellung „Wikinger!“ im Kulturzentrum Lokschuppen Rosenheim aufräumt.
Unter diesem Titel hat die Ausstellungskuratorin Michaela Helmbrecht auch das große Begleitbuch herausgebracht. Eine Reihe von Fachleuten widmet sich darin den Nordmännern und ihrer erstaunlich hochstehenden Kultur. Klargestellt wird auch, dass die Wikinger im eigentlichen Sinne keine ethnische Volksgruppe waren, denn der Begriff bezeichnet lediglich ihre Aktivitäten, nämlich auf eine Seereise oder eben eine Plünderfahrt zu gehen.
Auf der Grundlage zahlreicher neuer Funde konnte das Bild der Wikingerzeit erheblich verifiziert werden. Seit ihrem legendären ersten Überfall auf das ostenglishce Kloster Lindisfarne im Jahre 793 haben sie sich auch als fernreisende Entdecker und Handelsleute erwiesen, deren Handelsnetz sich bis ins Kaspische Meer und bis nach Irland und Grönland erstreckte.
Noch heute bewundert man ihre sagenhaften schnellen Segelschiffe, mit denen sie ja sogar schon etwa 400 Jahre vor Kolumbus Amerika erreichten. Doch Ausstellung und Buch beschreiben nicht nur diese Meisterwerke der Bootsbaukunst, denn auch ansonsten waren sie geschickte Handwerker, die außer hervorragende Waffen herzustellen auch mit kunstvollem Silber- und Goldschmuck sowie mit Bernstein eifrigen Handel trieben.
Aufgeräumt wird gleichfalls mit dem äußeren Erscheinungsbild, denn die rotblonden Hünen waren höchstens 1,70 Meter groß und die gehörnten Helme sind eine Bühnenerfindung von 1876 für Richard Wagners Oper „Ring der Nibelungen“. Weniger bekannt ist die komplexe Dichtkunst der Nordeuropäer und dass sie neben Ackerbau und Viehzucht auch Sklavenhandel betrieben. Den knappen Honigwein gab es im Übrigen nur zu hohen Festtagen, wogegen das täglich konsumierte Bier ein recht leichtes mit nur zwei Prozent Alkoholgehalt war.
Fazit: ein faszinierendes umfassendes Gemälde eines Seevolkes, dessen ebenso schlechter wie lückenhafter Ruf vornehmlich aus den Überlieferungen der von ihnen Heimgesuchten geprägt wurde. Die tatsächliche Welt der Wikinger erweist sich als ungleich vielfältiger und hochkarätiger.

# Michaela Helmbrecht (Hrsg.): Wikinger!; 272 Seiten, div. Abb., Großformat; Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg; € 26,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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