JENTZSCH/WITT: „DER SEEKRIEG 1914-1918“


Passend zum 100. Jahrestag der Skagerrak-Schlacht – oder Battle of Jutland, wie sie im britischen Sprachgebrauch heißt – vom Mai 1916 legen mit Christian Jentzsch und Jann M. Witt zwei renommierte Marinehistoriker ein hervorragend konzipiertes Überblickswerk zum Thema Seekrieg aus deutscher Perspektive vor.
„Der Seekrieg 1914-1918. Die Kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg“ ist der Band überschrieben. Die zwölf kompakten Kapitel führen zunächst in die Entstehungsgeschichte und die strategische Ausrichtung der Marine des Deutschen Reiches ein, die die einzige Teilstreitkraft war, die von Beginn an unmittelbar dem Kaiser unterstand. Nach der Reichsgründung von 1871 entstanden, war sie ein Lieblingsspielzeug von Wilhelm II. und sein ganzer Stolz.
Die Historiker legen dar, wie Alfred von Tirpitz die Grundlagen für den Aufbau der jungen Marine schuf. Als er 1898 das 1. Flottengesetz vorlegte, war die Zielvorgabe klar: es sollte eine „Risikoflotte“ sein als Abschreckungskonzept gegen Großbritannien als dem natürlichen Feind. Tatsächlich stieg das Kaiserreich in den Jahren vor Kriegsausbruch zur zweitgrößten Seemacht der Welt auf, wozu allerdings auch der Gewinn der Kolonien beitrug, der Marineeinheiten bis in den Pazifik hinein erforderlich machte.
Den politischen und konzeptionellen Grundlinien folgen die wesentlichen Aktionsfelder, allen voran die Nordsee mit ersten Gefechten. Auch die zwei Phasen des deutschen U-Bootkrieges finden ihren Niederschlag sowie Ausführungen zu technischen Entwicklungen, zu Hilfskreuzern und Minenkrieg. Bis schließlich die Skagerrak-Schlacht am 31. Mai 1916 eine große Entscheidungsschlacht möglich scheinen ließ.
Eingehende Schilderungen und ausführliches neues Kartenmaterial geben einen genauen Überblick über den Schlachtverlauf. Keine Seite siegte bekanntlich, auch wenn sich die deutsche Marine angesichts der deutlich höheren Verluste der Briten als Gewinner wähnte. Doch die Analyse der Experten verdeutlicht auch, warum das gute Abschneiden zugleich das Ende konkreter großer Aufeinandertreffen der beiden Seemächte einläutete.
Aber es gab auch noch andere Schauplätze, auf denen die Marine mit wechselndem Erfolg erfolgreich war. So wird der Seekrieg in der Ostsee umrissen und schließlich der folgenreiche Ausbruch von Unruhen und Meuterei sowie das bittere Ende der Flotte in Scapa Flow untersucht. Die Krönung des Werkes aber ist die abschließende Zusammenfassung, die für die Hochseeflotte bzw. die Nordsee die Tirpitzsche Strategie mit dem Konzept der Risikoflotte als völligen Fehlschlag ausweist. Ein schlüssiges Resümee, das belegt, wie und warum die deutsche Seekriegsstrategie im Grundsatz scheiterte.
Erfolge hatte die Kaiserliche Marine gleichwohl auch aufzuweisen, denn sie sorgte maßgeblich dafür, dass Russland vom dringend benötigten, kriegswichtigen Nachschub abgeschnitten blieb und nicht zuletzt deswegen 1917 kollabierte. In der Ostsee war die Blockade erfolgreich und im Mittelmeer blieben die Dardanellen dank des Einsatzes deutscher Kräfte - und des Hineinziehens des Osmanischen Reiches in den Krieg – als Versorgungsweg ebenfalls verschlossen.
Fazit: ein rundum überzeugendes Buch zum Thema, das einen kompakten Überblick ermöglicht und zudem mit einer Fülle von großenteils bisher unveröffentlichten Fotos aufwartet.

# Christian Jentzsch/Jann M. Witt: Der Seekrieg 1914-1918. Die Kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg; 184 Seiten, div. Abb., Großformat; Theiss Verlag, Darmstadt; € 39,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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