TABITHA SUZUMA: BROKEN
DER MOMENT, IN DEM DU FÄLLST
Matheo Walsh ist eigentlich ein absolut beneidenswerter junger Mann. Dank der wohlhabenden
Familie besucht er eine Privatschule, er ist ein Modellathlet asl Turmspringer und
Großbritanniens Hoffnung für die Olympischen Spiele. Und er hat mit Lola eine
hinreißende Freundin, die ihn ebenso liebt wie er sie.
Hinter den Kulissen sieht es schon weniger rosig aus, denn Matheos Mutter ist distanziert
und kühl, sein Vater interessiert sich nur für seine Leistungen und übt totale
Kontrolle aus und die Beziehung zu Lola sehen beide Eltern als störend an. Obendrein baut
der Trainer immer mehr Druck auf, so dass Matheo zunehmend die Freude an seinem Lebensstil
verliert und auch um seine Liebe zu Lola fürchtet. Bei der er auch deshalb so viel Halt
findet, weil er sich bestens mit ihrem alleinerziehenden Vater versteht.
Das Alles wäre für sich eine interessante aber nicht sehr neue Geschichte, egal, wie gut
Tabitha Suzuma sie auch erzählen mag. Doch ihr neuer Jugendroman unter dem Titel
Broken Der Moment, in dem du fällst eröffnet ganz andere Dimensionen,
die allmählich und dann immer mehr unter die Haut gehen. Und das setzt mit einem fatalen
Wochenende in Brighton ein, als Matheo am Morgen nach einer Siegesfeier verdreckt und
zerschlagen erwacht, in seinem Zimmer großes Chaos.
Doch er hat keine Erinnerung an das, was geschehen ist. Er weiß nur, dass es etwas
Schreckliches gewesen sein muss, das sein Leben völlig auf den Kopf zu stellen droht.
Dann jedoch zwingt ihn sein Trainer zu einem besonders komplizierten Turmsprung und er
zieht sich eine Kopfverletzung zu. Als Leser hat man es längst geahnt und plötzlich ist
das entsetzliche Ereignis wieder voll präsent und absolut niederschmetternd.
Nicht er hat etwas Schlimmes gemacht, sondern ihm ist so Furchtbares widerfahren, dass man
es sich konkret kaum vorstellen kann. Unvermeidlich führt es auch mit Lola zur Krise und
noch so viel Liebe kann die Blockaden nicht überwinden, die zwischen ihnen entstehen.
Lola versucht, ihn dazu zu überreden, den Vorfall bei der Polizei anzuzeigen. Doch Matheo
hat gerade davor die größte Scheu, denn er kennt den Vergewaltiger.
Mehr darf hier nicht verraten werden, um das beklemmende Finale mit seinen heftigen
Wendungen nicht zu zerstören. Doch es sei dazu gesagt: das Alles wird nicht nur höchst
intensiv aus der Perspektive Matheos erzählt, es ist auch außerordentlich authentisch
und realistisch geschrieben. Man leidet mit bei den Selbstzweifeln, den Schuldgefühlen,
der Wut und der Scham des Opfers.
Zu den hohen Qualitäten dieses Romans, der Erwachsene ebenso fesseln wird wie junge Leser
ab etwa 15 Jahre, tragen insbesondere auch die grandios gezeichneten Charaktere bei.
Fazit: selten geht ein Roman derartig unter die Haut und zugleich ist Tabitha Suzuma sehr
zu danken, dass sie ein solch komplexes Tabuthema so offen angefasst hat.
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