CLAUDIA OTT: TAUSENDUNDEINE
NACHT
Die Geschichten von 1001 Nacht sind zwar weltberühmt, vieles jedoch war nur vage bekannt
oder durch Hinzudichtungen wie Aladin oder Sindbad verfälscht. Die
Arabistin und Übersetzerin Claudia Ott hatte 2001 eine autentische Erstübersetzung des
bisher ältesten Fragments mit dem Anfang und den ersten 282 Nächten vorgelegt und viel
Lob dafür erhalten.
Dann aber machte die Autorin eine sensationelle Entdeckung in einer kleinen
Handschriftenbibliothek im anatolischen Kayseri. Dort lag eine jahrhundertealte arabische
Handschrift, unbeachtet wegen des falschen Titels Abhandlung über die Tücken der
Weiber. Die völlig ungeordneten Blätter entpuppten sich jedoch unter dem kundigen
Blick der Expertin als das uralte Manuskript des Endes der legendären
Geschichtensammlung.
Claudia Ott gelang es, dieses Konvolut zu ordnen und zu übertragen. Nun liegt dieses Werk
unter dem Titel Tausendundeine Nacht Das glückliche Ende vor und
bietet nicht nur die Rahmenerzählung sowie sämtliche Geschichten von der 881. bis zur
1001. Nacht. Bisher gab es lediglich eine ungewöhnlich kurze Fassung des Abschlusses,
hier aber eröffnet sich erstmals ausführlich, wie das allnächtliche Erzählen der
Schahrasad endete: mit einem Happyend im Lustschlösschen.
Man erinnere sich: König Schahriyar war derartig aufgebracht von der Untreue der Frauen,
die er erlitten hatte, dass er grausige Konsequenzen zog. Jede Nacht wollte er nun eine
andere junge Frau heiraten, die er dann nach der Hochzeitsnacht töten ließ.
Schahrasad aber, kluge Tochter des Großwesirs, wollte ihre Geschlechtsgenossinnen retten.
So wurde sie seine nächste Gespielin und begann jede Nacht mit einer solch fesselnden
Geschichte, dass der König viel zu betört und gespannt auf die Fortsetzung war, um die
Holde am nächsten Morgen töten zu lassen.
Mag auch manche der fabulierten Geschichten über Gaunereien, über Trickbetrüger und
Liebeshändel, aber auch über Tierfabeln für heutige Leser nicht wirklich spannend sein
sie sind autentiswch aus ihrer Zeit vor schätzungsweise 500 Jahren und frei von
westlichen Ausschmückungen. Besonders fällt dabei die Raffinesse von Schahrasad und
ihrer hilfreichen Schwester Dunyasad auf, die hier das vermutlich lebensrettende
Spannungselement anwenden, das heute unter dem Begriff Cliffhanger ein
unverzichtbarer dramaturgischer Kniff geworden ist, um Leser, Hörer oder Zuschauer
ungeduldig auf den Fortgang einer Geschichte warten zu lassen.
Claudia Otts Übersetzung begeistert vor allem auch mit der Frische und Unmittelbarkeit
des unverfälschten arabischen Originals. Ohnehin zählt die Geschichtensammlung von 1001
Nacht zu den Höhepunkten orientalischer Erzählkunst, in ihren spannenden Ausführungen
im Anhang erläutert die Autorin jedoch auch, dass diese handschriftliche Überlieferung
auf professionellem Abschreiben beruht.
Fazit: ein wahrer literarischer Schatzfund in einer brillanten Übersetzung und ein Genuss
nicht nur für Liebhaber arabischer Erzählkunst.
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