WILFRIED
F. SCHOELLER: FRANZ MARC
Als Franz Marc am 8. Februar 1880 geboren wurde, war er ein hässliches Sonntagskind. Eine
wirklich Glücksförderung war dieser Geburtstag offenbar nicht, denn als er am 4. März
1916 mit eben 36 Jahren bei Verdun umkam, verstarb mit ihm ein zwar schon bekannter aber
doch unvollendet gebliebener Künstler.
Dank unzähliger Reproduktionen seiner farbintensiven Tiergemälde wie Blaues Pferd
I genießt er als Dekorationsmaler einen ungeheuren Bekanntheitsgrad. Gerecht wird
ihm diese Art Nachruhm allerdings kaum, wie nun die anlässlich des 100. Todestages
erschienene grundlegende Biographie Franz Marc deutlich macht. Autor ist
Wilfried F. Schoeller, früherer Literaturprofessor der Universität Bremen.
Hin- und hergerissen zwischen protestantischen und katholischen Prägungen in der Familie,
schwankte Marc als junger Mann zwischen Berufswünschen wie Pfarrer, Philologe und
Künstler. Wirklich kompliziert aber gestaltete sich das Liebesleben des melancholischen
Erotomanen. So lebt er zeitweise in einer Art Vierer-Menage und alle drei Partnerinnen
waren älter als er. Eine von ihnen, Marie Schnür, ehelichte er schließlich eher aus
Gefälligkeit. Nur um sich später zugunsten Maria Francks mühsam wieder von ihr scheiden
zu lassen.
Ein Sinnsuchender aber war und blieb er auch sonst, wo Friedrich Nietzsches Philosophie
wie auch die Malerei van Goghs zu den wichtigsten Impulsen zählten. Glorreiches lässt
sich jedoch nur wenig aus Marcs frühen Jahren berichten, die ganz wesentlich von
Liebeschaos, Erfolglosigkeit und Geldmangel überschattet waren. Erst mit Mitte 20 scheint
Marcs Genie auf, er findet sein Thema und seinen Stil und seine revolutionäre Auffasung
von der Tiermalerei bis hin zum Animalismus werden zu den Markenzeichen, für die der Name
Franz Marc noch heute steht.
Er entwickelt eine gewisse Magie, findet 1910 mit Wassily Kandinsky zum Künstler-Almanach
Der Blaue Reiter zusammen. Und so wie er mit dem befreundeten August Macke
Anteil am Programmentwurf der künstlerischen Moderne hat, blüht nun seine kurze große
Schaffenszeit. Nur rund 240 Gemälde entstanden, denn der Erste Weltkrieg wurde zur
scharfen Zäsur für den Expressionisten.
Der Biograf räumt allerdings auf der Grundlage neuer Quellen mit einer überlieferten,
nur schwer zu seiner privaten und künstlerischen Vita passen wollenden Annahme auf. Stets
hieß es, Marc sei als Kriegsfreiwilliger in den Krieg gezogen. Tatsächlich aber hatte er
sich in den Jahren zuvor durch angebliche Krankheiten dem Militär erfolgreich entzogen.
Am 6. August 1914 jedoch entkam er der Einberufung nicht mehr, Patriotismus allerdings war
wirklich nicht der Grund für ihn, die Uniform anzuziehen.
Seine Haltung zum Krieg stellt sich gleichwohl als rätselhaft und abstrus dar, wenn er da
vom nötigen Blutopfer faselt. Und er macht sogar Karriere bis zum Leutnant
und drängt zum Frontdienst. Erst in der beginnenden Schlacht um Verdun kommt er wieder
zur Besinnung und er beginnt sogar wieder mit Skizzen für all die Werke, die er später
noch erschaffen will.
Am 4. März 1916 schreibt er an seine Frau, dass er nun wieder zur Zwiesprache mit
Formen und Farben bereit sei. Der radikale Künstler ist zurück doch noch am
selben Nachmittag rafft ihn ein Granatsplitter dahin. Was Franz Marc bewegte, was ihn zum
Ausnahmekünstler machte, aber auch was ihn zu der schwer verständlichen Haltung zum
Krieg brachte, Wilfried F. Schoeller beleuchtet es auf sachliche unprätentiöse Weise.
Auch er vermag manches nicht vollends aufhellen, gleichwohl schafft diese umfassende
Biographie ein Bild des Malers, das der Wirklichkeit vermutlich weit näher kommt als
bisherige Deutungsversuche.
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