CHRISTIAN MÄHR: KNOCHEN
KOCHEN
Christian Mähr lässt seine kauzige Stammtischrunde aus der Blauen Traube im
österreichischen Vorarlberg erneut in kriminelle Machenschaften geraten. Knochen
kochen hat der Erfolgsautor und gelernte Doktor der Chemie den neuen Fall
überschrieben und allerlei Gebein längst Verstorbener stehen in sehr wechselhafter Weise
im Mittelpunkt.
Ein wenig umständlich zieht Mähr den Leser langsam aber genüsslich in das Geschehen
hinein, das sich jedoch noch zu ungeahnten Dimensionen mausern soll. Da erscheint Erasmus
von Seitenstetten bei Wirt Matthias Spielberger und der alte Schulfreund verrät erstens
den Stammtischfreunden Lothar Moosmann, Franz-Josef Blum und Dr. Lukas Peratoner dessen
ungeliebten Spitznamen Lumpi und zweitens ein recht schräges
wissenschaftliches Vorhaben.
Biologie-Professor Erasmus, aus verarmtem Adel stammend, hat entdeckt, dass ein Vorfahre
im 16. Jahrhundert an der unheimlichen Seuche des Englischen Schweißes
verstorben ist. Wenn er nun den in Wien in einem alten Grabmal liegenden Leichnam
exhumieren und das Rätsel der epidemischen Krankheit lösen könnte, wäre ihm großer
wissenschaftlicher Ruhm gewiss. Die vier abenteuerlustigen Stammtischler lassen sich
sogleich anstiften, obwohl diese Ausgrabung nicht nur nicht legal ist, sondern das
Gelände mit dem Grabmal darauf obendrein seit langem einem arg verfeindeten Seitenarm
derer von Seitenstetten gehört.
Baronin Amalie, die attraktive junge - und im Übrigen vermögende Gemahlin des
schon recht abgetakelten Erasmus, spielt dabei eine schnöde Rolle als langjährige
Ehebrecherin. Der von ihr ausgehaltene Liebhaber hat ausgerechnet dasselbe
wissenschaftliche Sachgebiet wie Erasmus und seine Treue der Geliebten gegenüber
beschränkt sich auf das sexuelle. Den Hintergedanken, mit dem Amalie ihm von den Plänen
des Gatten erzählt, konterkariert er hinterhältig, indem er sich anderen Interessenten
an dem Vorhaben offenbart.
Doch nicht nur dieser Dr. Ambrosius muss bald die Lebenserfahrung machen, dass das
Schicksal einen verderben will, wenn es einem eine Win-Win-Situation vorgaukelt. Die
heimliche nächtliche Exhumierung gelingt, geht jedoch völlig anders aus als gedacht,
denn andere Grabräuber nehmen Erasmus und seinen wackeren Helfern die Beute ab und
entfleuchen. Erasmus aber stirbt umgehend an etwas, das verdächtig nach Englischem
Schweiß aussieht, und die Freunde aus der Blauen Traube entschwinden entnervt
wieder ins heimische Dornbirn.
Doch nun kommt erst richtig Leben in das verworrene Geschehen, denn auch Dr. Laska,
verbitterter Assistent von Erasmus und einer der beiden fremden Grabräuber, verliert die
Gebeine an seinen Mittäter, den vertrödelten Studenten Scheidbach, weil er ihn zu
knauserig behandelt hat. Mit ungeahnten Folgen, denn noch ganz andere heiße Interessenten
jagen dieser Beute mittlerweile aus sehr unterschiedlichen Gründen hinterher. Amalie
fühlt sich von Dr. Ambrosius verraten, der Boss des anderen Seitenstetten-Clans hegt
finstere Absichten und zuguterletzt taucht auch noch Alois Praxner auf. Der hat sich
inzwischen zu dem fanatischen Moslem Ahmed gewandelt und träumt von einer ganz großen
Tat.
Da nun der unselige Schmiedbach die Gebeine auf einer alten Burg versteckt und obendrein
einst ein Schulkamerad von Spielberger-Tochter Angelika war, kehrt das ziemlich exzessiv
kriminelle Geschehen in den aktiven Dunstkreis der vier Stammtischfreunde zurück. Womit
ein weiterer der gefürchteten Wahrträume des Wirtes erstens Realität und zweitens
Auftakt einer wilden Achterbahnfahrt wird.
Christian Mähr erweist sich einmal mehr als ein herrlich oberschlauer Berichterstatter
mit wahrhaft österreichisch verdrehtem Humor. Das mag nicht ganz so auf überkandidelte
Weise rund geworden sein wie der Vorgänger Tod auf der Tageskarte, gleichwohl
bietet auch dieser Fall feinste intelligente Krimi-Unterhaltung der eher skurrilen Art und
abschließend bleiben zwei Wünsche: a) nach weiteren Abenteuern des Quartetts und b) nach
einer kongenialen Verfilmung.
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