NEIL GAIMAN/CHRIS RIDDELL:
DER FLUCH DER SPINDEL
Dornröschen, Schneewittchen und der Gedanke, dass eine in einen
100-jährigen Schlaf verzauberte Prinzessin nicht unbedingt immer nur durch einen edlen
Prinzen gerettet werden muss aus dieser hintersinnigen Mixtur hat Neil Gaiman, der
englische Meister der Graphic Novel, mit Der Fluch der Spindel ein
hinreißendes neues Märchen voller dunkler Magie geschaffen.
In einem Schlossturm im Lande Dorimar liegt eine junge schöne Blondine seit Jahrzehnten
im Tiefschlaf, seitdem sie sich an einer offenbar verwunschenen Spindel gestochen hat.
Doch der endlose Schlaf, der nicht hungern oder altern lässt, hat längst auch den Rest
des Landes befallen. Allmählich aber breitet er sich nicht nur immer weiter aus,
inzwischen bedroht er auch das benachbarte Königreich Kanselaire.
Die dortige junge Königin will gerade heiraten, doch aus Sorge um das Wohl ihres Landes
schiebt sie die Hochzeit auf. Umgehend legt sie statt feiner Roben ein Kettenhemd an,
gürtet ihr Schwert und zieht in Begleitung von drei tapferen Zwergen zum verzauberten
Schloss in Dorimar. Das ist von Rosen überrankt, in deren Dornen so mancher mutige Prinz
seine Bemühungen zur Rettung der Prinzessin mit dem Leben bezahlt hat.
Die Königin aus Kanselaire aber ist schlauer, so dass ihr und ihren Begleitern das
Eindringen gelingt. Wichtiger noch ist jedoch, dass sie einst selbst von ihrer Stiefmutter
vergiftet wurde und erst durch Zufall aus ihrem Todesschlaf in einem Glassarg errettet
wurde. Sie also ist in der Lage, das Böse in den Augen einer Frau zu erkennen. Und
immerhin ist nicht jedermann das, was er oder sie zu sein scheint.
Die dramatische Zuspitzung dieses mit Bekanntem und allerlei Überraschungen spielenden
Märchen für Teenager und Erwachsene soll hier aber nicht verraten werden. Nur so viel:
manches ist anders als vermutete und ganz schön böse, aber auch voller schwarzem Humor.
Zum veritablen Kunstwerk allerdings ist dieses Buch endgültig durch die Kooperation mit
dem vielfach preisgekrönten Illustrator Chris Riddell geworden.
Seine von Fantasie und Detailreichtum schier berstenden Illustrationen sind grandios und
kongenial gelungen und fesseln fast noch mehr als die ohnehin schon spannend erzählte
Geschichte. Die vom Art Deco inspirierten filigranen Zeichnungen sind zudem noch mit viel
Gold dekoriert und lassen das Alles ausgesprochen edel erscheinen. Fazit: eine wahrhaft
spektakuläre Graphic Novel, die dem Genre viele neue Liebhaber bescheren dürfte, die
davon bisher weniger angetan waren. Und bereits überzeugte Fans werden schlichtweg
begeistert sein.
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