S.
J. WATSON: TU ES. TU ES NICHT
Mit seinem Erstling Ich. Darf. Nicht. Schlafen schuf S. J. Watson einen der
genialsten Psychothriller der letzten Jahre. Nun liegt der Nachfolger vor, nicht ganz so
atemberaubend und er erweist sich auch stilistisch etwas anders. Geblieben ist jedoch die
Manipulierbarkeit des Menschen als unterschwelliges Hauptthema.
Im Gegensatz zu seinem Welterfolg lässt der britische Autor Tu es. Tu es
nicht sehr langsam anlaufen, außerdem entwickelt sich die Geschichte um die
Londoner Arztgattin Julia erst einmal eher als Familiendrama. Julias Leben gestaltet sich
angenehm und der einzige Sorgenpunkt scheint der Ärger mit ihrer Schwester Kate zu sein.
Wegen der eigenen Unfruchtbarkeit hatte Julia vor Jahren den kleinen Connor adoptiert, den
Kate als unreife Teenagermutter nicht aufzuziehen vermochte.
Kate wollte nun ihren Sohn zurück, wird jedoch überraschend in Paris auf der Straße
ermordet. Als die dortige Polizei nicht viel zur Aufklärung tut, will Julia selbst
Nachforschungen unternehmen. Allmählich aber hat der Leser Stückchen für Stückchen
erfahren, dass hinter Julias gutbürgerlicher Fassade alte Gelüste und manch heftige
Erinnerungen aus wilden Zeiten in der Berliner Drogen- und Hausbesetzerszene lauern.
Und ausgerechnet sie, die mit hoher Suchtanfälligkeit zurechtkommen muss, lässt sich zur
Mordaufklärung auf ein riskantes Spiel ein. Dazu meldet sie sich unter Kates Namen bei
demselben Internetportal für Sexkontakte an, von dem auch Kate offenbar regen Gebrauch
gemacht hat. Über längere Passagen wird die Anbahnung einer ebenso leichtsinnigen wie
naiv von der Ich-Erzählerin angegangenen fatalen Entwicklung geradezu gemächlich
geschildert und man ahnt nur, dass das böse enden muss.
Die vom Leser geforderte Geduld aber wird reich belohnt, denn mittendrin gerät das
Geschehen in einen Schleudergang von Ereignissen und Gefahren. Julia stößt prompt auf
den irgendwie faszinierenden Lukas, einen abgefeimten Lüstling und Manipulator, dem sie
gegen jede Vernunft regelrecht verfällt. Wie besessen setzt sie ihre Existenz aufs Spiel
und verliert zunehmend jegliche Kontrolle. Bis das Alles in einen Thrillerwirbel voller
Überraschungen eintaucht und den Leser ziemlich atemlos zurücklässt.
Mehr sei hier nicht verraten. Das reicht zwar nicht an Watsons ersten Geniestreich heran,
doch wer wollte den schon überbieten. Auf geradezu heimtückische Weise lockt der Autor
den Leser jedenfalls auf zunächst fast schläfrige Art und Weise auf eine wahrhaft
abschüssige Achterbahn und sorgt für Sogwirkung und Hochspannung.
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