MARTIN AMANSHAUSER: „DER FISCH IN DER STREICHSCHACHTEL“


Für so manchen kreativen Zeitgenossen sind Kreuzfahrten eine grausige Vorstellung von gedehnter Langeweile, den immer gleichen Rentnern am Büfett und klaustrophobischer Mitmenschlichkeit. Da lag es geradezu auf der Hand, dass sich der zum Lästern neigende österreichische Autor und Reisejournalist Martin Amanshauser irgendwann dieses Themas annehmen würde.
Als Ich-Erzähler entsendet er Fred Dreher, 39 Jahre und Einmann-Alarmanlagenfabrikant, für zwölf Tage mit der „Atlantis“ in die Karibik und der fühlt sich prompt wie „Der Fisch in der Streichholzschachtel“ - so auch der Titel des ziemlich schrägen Romans. Fred wurde in der Jugend zwar Flipper genannt, weil er es mal kurz bis auf Rang 320 der weltschnellsten Lagenschwimmer schaffte, das aber ist schon das einzig Außergewöhnliche, das er je zustande gebracht hat.
Die selbstmitleidige Tristesse auf dieser Reise, während ihn einzig das Warten auf eine geschäftlich wichtige E-Mail wirklich umtreibt, muss er sich jedoch selbst anlasten, denn er hat die Reise seiner Frau Tamara zum 40. Geburtstag geschenkt. Ansonsten dümpelt die Ehe so vor sich hin und mit der pubertierenden 15-jährigen Tochter Malvi kann er ebenso wenig anfangen wie mit dem verfressenen elfjährigen Tom.
Dummerweise taucht dann auch noch Amélie an Deck auf, seine ehemalige Geliebte vor 15 Jahren. Für den Dreh in Geschichte jedoch sorgt ein Sturm. Der kann der modernen „Atlantis“ zwar nicht viel anhaben, doch nun macht Amanshauser einen lässigen Schlenker in die ScienceFiction und lässt diesen Sturm eine Art Zeitriss verursachen. So entkommt der Zweimaster „Fin del Mundo“ nur knapp dem Untergang, wird von seiner Kaperfahrt im Jahr 1730 aber ins Jetzt geschleudert.
Davon erzählt nun der italienische Geograf Salvino d'Armato, der wie seine eigenwilligen Mit-Piraten unter dem lustlosen Kapitän Störtebeker erstmal sehr staunt über all das moderne Zeugs auf dem Kreuzfahrtriesen. Wobei sich die Herren Piraten als neugierig erweisen, aber bei aller Verwirrung über elektrisches Licht, automatische Türen und dergleichen selbstredend ihre Chance auf Beute wahrnehmen.
Das eigentlich Vergnügliche aber ist natürlich das Aufeinanderprallen der sehr verschiedenen Vorstellungswelten. Da kommt zu satirischen Zügen auch ein wenig Dramatik und Tiefgang. Surreales und Absurdes tut sich, gleichwohl hält der Autor seine bunte Geschichte stets frei von blutrünstigen Übergriffen.
Und weil er es bei all dem Detailreichtum nicht eilig hat, um zum durchaus überraschenden Finale zu kommen, ist er der avisierten Linie durchgehend treu geblieben: keine heftige Aufregung, keine zerfetzten Leiber, stattdessen ein Unterhaltungsroman, der sich wohlig und mit manch entlarvendem Witz auf dennoch durchaus anspruchsvollem Niveau bestens für den Urlaub und den Strandkorb eignet.

# Martin Amanshauer: Der Fisch in der Streichholzschachtel; 575 Seiten; Deuticke Verlag, Wien; € 21,90

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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