KATE CHRISTENSEN: DAS
EHESPIEL
Fassungslos streunt Harry Qurik durch sein geliebtes Brooklyn, nach 30 Jahren Ehe von
seiner Luz hinausgeworfen. Das Fatale daran ist der Grund, denn ihr Vorwurf des Ehebruchs
entbehrt jeder Grundlage, doch für seine händeringenden Versuche, dieses klarzustellen,
zeigt sie sich völlig unzugänglich.
Diese höchst unangenehme Situation eröffnet Das Ehespiel, der jüngste Roman
der US-Erfolgsautorin Kate Christensen. Im Gegensatz zu dem etwas unglücklichen Titel
gelingt ihr dabei allein schon eine virtuose Gratwanderung, indem sie den 57-Jährigen als
Ich-Erzähler fungieren lässt und dabei eine ganz und gar glaubhafte Figur und
Leidensgeschichte erfindet.
Das Unglück brach über ihn herein, als die zu extremer Eifersucht neigende Luz auf dem
Computer des mäßig erfolgreichen Dichters und Schriftstellers gefühlvolle Sonette an
eine Frau entdeckte. Die konnte nicht sie sein und wutentbrannt vernichtete sie das
gesamte dichterische Werk Harrys und warf das Gerät aus dem Fenster. Es hatte ja
tatsächlich vor zwölf Jahren eine kleine Affäre gegeben, die er ihr jedoch gebeichtet
und eine Art Vergebung erlangt hatte.
Nun aber unterstellt sie ihm, sie seit längerem mit Marion zu betrügen, seit vielen
Jahren eine gemeinsame Freundin. All seine Versicherungen, es handle sich um die fiktiven
Erfindungen aus poetischer Fantasie, prallen an Luz ab und Harry muss sich mühsam eine
Bleibe suchen. Und einen Aushilfsjob, denn Luz war immer die Haupternährerin gewesen und
seine sämtlichen Arbeiten sind jetzt verloren. Nun leidet Harry und er reflektiert über
eine Ehe, die offenbar in den vielen Jahren allerlei Wunden geschlagen und eher zur
Entfremdung als zu mehr Vertrautheit geführt hatte.
Bei aller Liebe, wegen der er immer wieder versucht, ihre Ehe doch noch zu retten, wird
ihm aber auch bewusst, wie sehr die arg katholisch geprägte und weniger intellektuell
ausgerichtete Luz ihn unter Kontrolle hatte, scheinbar verletzlich, weich und liebevoll,
zugleich aber mindestens ebenso besitzergreifend wie manipulativ. Zu einem hinreißenden
explosiven Gipfel wird da schließlich Harrys Sitzung bei der Psychotherapeutin, die
eigentlich Beide betreuen soll.
Wie Harry immer mehr erkennt, hatten er und Luz in vielen wichtigen Lebensbereichen
offensichtlich sehr konträre Betrachtungsweisen. Um so mehr brechen sich Harrys Wut und
Empörung in einer scharfen Philippika gegen die anmaßende einseitige Einmischung der
arroganten Therapeutin in ihre Eheprobleme. Sie wirke unheilvoll auf Luz ein und blockiere
jede mögliche Versöhnung. Und doch muss er geschlagen von dannen ziehen, denn noch
einmal wird ihm das bisher undenkbar Erscheinden entgegengeschleudert: Luz will die
Scheidung und ihn ganz aus ihrem Leben tilgen.
Doch auch die Seitenstränge dieser Geschichte die mit wenig Handlung auskommt und
dennoch fesselt sind brillant eingeflochten. Da sind die Freunde des Paares, die
sich gezwungen sehen, sich für eine Seite zu entscheiden, jedoch auch die beiden
erwachsenen Kinder. Wobei Sohn Hector ebenfalls gerade eine besorgniserregende Phase
durchläuft, denn er ist auf bedenkliche Weise in eine Sektenanführerin verliebt.
Tochter Karina, eine lesbische Veganerin, gibt dem Vater dagegen sogar Unterkunft, obwohl
sie nicht recht weiß, zu wem sie halten soll. Bei ihr allerdings lernt Harry auch eine
Frau kennen, die ihm nicht nur außerordentlich gut gefällt, die neue Erfahrung schärft
zugleich seine Sinne für so manche Ungereimtheiten der hinterhergetrauerten Ehe.
Und auch diese Entwicklung Harrys ist glaubhaft dargestellt, wie Kate Christensen ohnehin
mit unerbittlich klarem Blick und ebenso lakonischer wie eleganter Sprache ein virtuoses
Stück Beziehungsgeschichte entworfen hat. Meisterlich geraten ist ihr dabei im Übrigen
das Einfühlen in Gedanken und Gefühlswelt eines Mannes. Fazit: ein großartiger
Gesellschaftsroman, fast im Stile eines John Updike oder John Irving.
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