PAMELA ERENS: „DIE UNBERÜHRTEN“


Man könnte zunächst meinen, es handelt sich um ein Jugendbuch, denn im Mittelpunkt stehen 16-jährige Schüler des Auburn Elite-Internats an der Ostküste der USA. Doch hier geht es um eine höchst „erwachsene“ Geschichte um erste Liebe und die Wirren der Sexualität und Bruce Bennett-Jones erzählt als jetzt Erwachsener und damals selbst Beteiligter.
„Die Unberührten“ lautet der Titel des zweiten Romans von Pamela Erens und er täuscht über so manches hinweg. Wie eben auch das ungeniert zur Schau getragene Turteln der Jüdin Aviva und des Koreaners Seung. Für deren Mitschüler erscheinen sie von geradezu provozierender Körperlichkeit und offenbar jenseits aller Tabus. Die Wahrheit ist jedoch viel komplexer, ganz abgesehen davon, dass sich dies Alles 1979 zuträgt und die offizielle Prüderie in den USA noch weitaus beherrschender war als heute.
Nun erweist sich Bennett-Jones als ein ebenso präziser wie zunehmend missgünstiger werdender Berichterstatter, denn seine Rolle ist quasi die des unwillkommenen Dritten im Budn. Dass er Aviva mit der ganzen Heftigkeit des etwas unbeholfenen Trampteltiers begehrt, lässt ihn ziemlich zu Anfang den Kopf verlieren, indem er handgreiflich ihr gegenüber wird. Danach aber verfolgt er das weitere Geschehen noch eingehender als die übrigen Mitschüler, interessiert sich für jede zu erhaschende Nuance und mit stetig wachsendem Unwillen.
Und kann doch erst viel später, nach einem fatalen Finale, ermessen, wie verquer dieses hitzige Liebesbeziehung in Wirklichkeit verlief. Mögen sie auch noch so aufgewühlt in ihren Gefühlen gewesen sein – bei aller Offenheit in den Versuchen verschiedener sexueller Praktiken sorgt ihre Unerfahrenheit und die ein oder andere Ungeschicklichkeit für quälende Missverständnisse. Hinzu kommt die familiäre Seite, denn während die konservative koreanische Familie bei aller Höflichkeit bei einem Besuch Avivas wenig Hehl daraus macht, dass sie diese Verbindung nicht eben gern sieht, muss Aviva ihrerseits mit der gerade laufenden Trennung ihrer Eltern fertig werden.
Der sexuelle Umgang miteinander aber und Seungs Versagen im entscheidenden Moment – obwohl er bei einem heimlichen „Seitensprung“ mit der willigen Jill bestens funktioniert hat – treiben das spannungsgeladene Verhältnis in eine Situation, die zum Drama führen muss. Hier spielen dann nicht nur allseits konsumierten Drogen und Alkohol eine unselige Rolle, das Unheil nimmt endgültig seinen Lauf durch die rigiden Verhaltensmaßregeln des Internats, als Seung bei einem Verstoß dagegen erwischt wird.
Mehr sei hier nicht verraten von dieser Geschichte, die die Autorin sehr geschickt immer fesselnder aufschaukeln lässt. Wobei sie ihren Ich-Erzähler mit ebenso gespanntem wie spürbar neidvollem Voyeurblick sehr ausführlich berichten – oder auch spekulieren – lässt. Das Alles ist nicht nur anspruchsvoll und mitreißend geschrieben, diese Pamela Erens beherrscht sowohl die Kunst, die drängenden Gefühle und Begierden dieser 16-Jährigen authentisch wiederzugeben wie auch die der expliziten Schilderung so mancher erotischer Passagen.
Fazit: ein Roman der besonderen Art mit Jugendlichen im Mittelpunkt und dennoch ein ganz und gar großartiges Lesevergnügen für Erwachsene.

# Pamela Erens: Die Unberührten (aus dem Amerikanischen von Ulrike Thiesmeyer); 297 Seiten;

C. H. Beck Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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