CLAIRE KENDAL: „DU BIST MEIN TOD“


Vermutlich war es hauptsächlich die seelische Verwirrung nach dem Ende der langjährigen Beziehung mit Henry und dann dieser Appell an ihre Höflichkeit, dass Clarissa den Dozenten an ihrer Uni mit in die Wohnung hat kommen lassen. Welch ein atemberaubender Alptraum daraus erwachsen wird, erfährt sie ansatzweise aber schon sehr bald.
Dass es zum Sex gekommen ist, hatte offenbar mit K.O.-Tropfen im Wein zu tun, und dieser Rafe, der sie schon lange begehrte, muss den körperlichen Spuren nach zu urteilen auch recht wild mit ihr umgegangen sein. Doch so sehr sie ihrem selbsternannten Liebhaber von nun an meiden will: nach außen hin gibt er auf raffinierte Weise den charmanten Verehrer, in Wahrheit jedoch wird er zum unerbittlichen, allgegenwärtigen Stalker.
Und diesen Wahnwitz beschreibt Claire Kendal in ihrem Debütroman „Du bist mein Tod“, der inhaltlich wie auch in der ungewöhnlichen Erzählweise in verschiedenen Perspektiven alle Kriterien eines wahrhaftigen Psychothrillers erfüllt. Dieser Mann, von dessen Gedanken und Motiven man wie die 38-Jährige nur etwas ahnen kann, bedrängt sie auf jeder Ebene und im Nu gibt es anscheinend keinen Ort und keinen Zeitpunkt mehr, wo er nicht auftaucht oder sich intensiv bemerkbar macht.
Zurückweisungen lässt er nicht gelten, sorgt vielmehr auch für die Isolation von ihren Freunden und Bekannten, die nicht verstehen können oder wollen, in welcher Gefahr sich Clarissa befindet. Auch die Polizei greift nicht ein, denn noch kann die längst völlig aus ihrem normalen Leben Gerissene ja keine Straftat vermelden. Hoffnung hegt sie erst wieder, als sie Geschworene in einem großen Vergewaltigungsprozess mit einem etwas wie Rafe gestrickten Täter wird, zumal sie dadurch für sieben Wochen quasi von der Bildfläche verschwindet.
Doch ihr Verfolger findet sie trotzdem und ihre Angst steigert sich noch, als sie erfährt, dass er eine Freundin hatte, die seit Jahren vermisst wird. Allerdings lernt sie am Gericht auch den Feuerwehrmann Robert kennen, der ihr Zuwendung und Schutz spendet. Den wahnhaften Verehrer aber macht das nur um so fanatischer und sie sieht sich schließlich so in die Enge gedrängt, dass sie auf fatale Weise das Heft selbst in die Hand nehmen will.
Zu welch heftigem und hochdramatischen Finale das führt, sei hier nicht verraten, ein Happyend aber ist kaum denkbar. Auf jeden Fall wird der Leser bis zuletzt gepackt und er fiebert förmlich mit. Da vermisst man auch nicht, dass man über Clarissas Person und Vorleben recht wenig erfährt, denn einzig wichtig und von intensiver Eindringlichkeit ist das Erleben dieser qualvollen Monate größter nicht nur seelischer Pein in dieser blanken, unmittelbaren Konfrontation zwischen ihr und dem Psychopathen.
Fazit: eindringlicher, authentischer und nachempfindbarer ist dieses leidige Thema wohl selten dargestellt worden. Selbst weniger zart Besaitete seien jedoch gewarnt, denn dieser Roman ist hart und nervenaufreibend.

# Claire Kendal: Du bist mein Tod (aus dem Englischen von Sophie Zeitz); 354 Seiten, Klappenbroschur; List Verlag, Berlin; € 14,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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