ELIF SHAFAK: „DER ARCHITEKT DES SULTANS“


In ihrem neuen Roman geht die türkische Erfolgsautorin Elif Shafak weit in die Vergangenheit des Osmanischen Reiches zurück. Der deutsche Titel trifft es allerdings nicht exakt, denn mit „Der Architekt des Sultans“ ist der legendäre Schöpfer einiger der großartigsten Bauwerke des Orients gemeint: Sinan (1490-1588).
Shafak erzählt das monumentale Epos um die Blütezeit Istanbuls im 16. Jahrhundert jedoch um den großen Baumeister herum und stellt dabei eine hinreißende Figur in den Mittelpunkt. Aus Indien kommt dieser Jahan und er ist auf der Flucht vor seinem brutalen Stiefvater. Offizielle aber taucht der Zwölfjährige in der osmanischen Metropole als Begleiter des kleinen weißen Elefanten Chota auf, den der Schah in seiner indischen Heimat dem Sultan als Geschenk sendet.
Dem Pfiffikus gelingt es nicht nur, als Mahut, also Elefantenführer, im prunkvollen Palast bleiben zu dürfen, er schafft es sogar, als einer von vier Lehrlingen des Hofarchitekten Sinan angenommen zu werden. Allerdings erlebt Jahan gleich zu Beginn, dass Größe und Glanz des Reiches auch ihre dunklen Seiten mit finstren Hofintrigen haben. In einer unruhigen Nacht wird er ungewollt zum Augenzeugen eines Mordreigens, mit dem sich der neue Sultan unliebsamer Thronrivalen entledigt.
An der Seite Sinans aber, der in diesen Jahren einige der noch heute weithin gerühmten Prachtbauten errichtet, lernt der wissbegierige Jahan so viel, dass er später selbst ein hochgeachteter Baumeister wird. Doch neben all den Bauten von Moscheen, Palästen und vielem mehr, erlebt und durchleidet er als junger Mann immer wieder auch kriegerische Ereignisse, Katastrophen und die Willkür der Herrschenden.
Mit orientalisch farbiger Fabulierkunst führt die Autorin in eine sowohl märchenhafte wie hintergründig gefährliche Welt wie in „1001 Nacht“. Und da darf auch die große Liebe nicht fehlen. Bei aller Leidenschaft zur Architektur und den Freuden und Erfolgen, die Jahan mit ihr erfährt, bleibt die Liebe seines Lebens unerfüllt. Er entbrennt unrettbar ausgerechnet für die schöne Prinzessin Mihrimah, die Tochter von Sultan Süleyman – bei aller offenbar bestehenden Gegenliebe muss Jahans Sehnsucht gleichwohl hoffnungslos bleiben.
Aber auch sonst erzählt dieser wunderbar dahinmäandernde Erzählfluss detailliert und stilvoll in atmosphärisch dichter Prosa mit vielen Wendungen und Überraschungen eine hinreißende Lebensgeschichte. Bei all dem hat die pulsierende und in tausend Schattierungen schillernde Hauptstadt des Riesenreiches die heimliche Hauptrolle inne und was Elif Shafak da ausbreitet, fasziniert ein ums andere Mal. Den großartigen Lesegenuss rundet im Übrigen die exzellente Übertragung ins Deutsche durch Michaela Grabinger ab.

# Elif Shafak: Der Architekt des Sultans (aus dem Englischen von Michaela Grabinger); € 655 Seiten; Kein & Aber Verlag, Zürich; € 24,90

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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