HEINRICH AUGUST WINKLER: „GESCHICHTE DES WESTEN“ Bd. IV


Nein, mit dem Ende des Kalten Krieges ist die Welt nicht übersichtlicher und auch nicht friedlicher geworden, stattdessen droht sogar eine Neuauflage der Ost-West-Konfrontation. Scharfsichtig beschreibt und analysiert Heinrich August Winkler diese Entwicklung und schließt damit seine einzigartige Reihe der „Geschichte des Westens“ mit einem hochaktuellen vierten Band ab.
„Die Zeit der Gegenwart“ hat der emeritierte Professor für Neueste Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität und Doyen der deutschen Historiker das umfangreiche Werk überschrieben. Es schließt an das Jahr 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion an und die Stärke Winklers zeigt sich gerade auch in dem Nebeneinander von präziser chronologischer Geschichtsschreibung und der Tatsache, dass dies ein engagierter und meinungsmächtiger Zeitzeuge tut.
Es sei daran erinnert, dass Winkler den Begriff des „Westens“ nicht auf das Geografische beschränkt sieht sondern vielmehr als Wertegemeinschaft, die auf den Idealen der Amerikanischen und der Französischen Revolution von 1776 bzw. 1789 beruht. Dieser Westen erlebte nach dem Ende des Kalten Krieges viele große Krisen, in denen es immer wieder auch schwerwiegende Verstöße gegen die postulierten Prinzipien gab.
In der erneuten parallelen Verknüpfung der Ereignisse erinnert der Historiker an Konflikte aus der nahen Vergangenheit wie den jugoslawischen Bürgerkrieg mit dem Versagen der UNO-Truppen beim Gemetzel von Srebrenica oder das noch folgenreichere beim Völkermord in Ruanda. Der grundlegende Sündenfall folgte dann nach den Anschlägen auf das World Trade Center vom 11. September 2001 mit den Kriegen in Afghanistan und dem Irak.
Fatale Fehlentwicklungen mit bis heute noch nicht absehbaren Folgen wie der Destabiliserung beider Länder und der immensen Bedrohung des Weltfriedens durch das Entstehen des „Islamischen Staates“ schlossen sich an. Doch auch die Krise der EU, die globale Finanzkrise, der „Arabische Frühling“ und der Ukraine-Konflikt fließen mit ihren Wirkungen und weltweiten Verästelungen ein, wenn der Historiker das abschließende Kapitel mit „Das Ende aller Sicherheit“ überschreibt. Die Welt ist im Umbruch mit dem imperialen Verhalten Russlands, mit China als neuer Weltmacht und aufstrebenden Mächten wie Indien und Brasilien, während die westliche Wertegemeinschaft an Einfluss verliert und schwächelt.
Kompakt, kenntnisreich, in ihren teils verblüffenden Zusammenhängen gut verständlich und das Alles flüssig und unterhaltsam dargebracht: das ist Geschichtsschreibung vom Feinsten. Man kann die Aussage des Verlags nur ausdrücklich bestätigen, wenn er sagt, dass nirgendwo sonst das politische Geschehen der Gegenwart so dargestellt wird wie in diesem Werk. Heinrich August Winklers vier Bände zur „Geschichte des Westens“ finden damit ihren krönenden Abschluss und das Kompendium ist endgültig zu einem ebenso anspruchsvollen wie konkurrenzlosen Standardwerk für die Vergangenheit wie gerade auch für die aktuelle politische Diskussion und Bewertung des globalen Geschehens geworden.

# Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens – Die Zeit der Gegenwart; 687 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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