CAROLA SAAVEDRA: „BLAUE BLUMEN“


„Liebster, eine Trennung, sagt man, ist nie abgeschlossen, kommt nie plötzlich.“ Mit diesem Satz beginnt ein Brief vom 19. Januar und zugleich Carola Saavedras Roman „Blaue Blumen, bereits 2008 in ihrer Heimat Brasilien erschienen und nun endlich auf Deutsch.
Die offensichtlich sitzengelassene Frau schreibt den Brief an ihren Verflossenen und sie lässt ihm noch acht weitere folgen. Doch allesamt erreichen sie nicht den Angeschriebenen sondern dessen Nachmieter Marcos. Anfangs zögert er, die nicht nicht für ihn gedachten Zeilen zu lesen, die so selbstquälerisch, so intensiv aber auch so intim sind. Bis sie ihn immer mehr fesseln und schließlich derartig verwirren, dass es seine gesamte Lebensführung durcheinander bringt.
Die anonyme Schreiberin, die nichts als ein A für ihre Identität preisgibt, reflektiert mal wehmütig, mal leidenschaftlich, mal melancholisch ihre Trennung. Offenbar wurde sie gedemütigt durch ihren Geliebten, dennoch sehnt sie sich nach ihm. Der zum Voyeur einer fremden, unglücklichen Beziehung werdende Marcos ist hin- und hergerissen von diesen vermeintlichen oder tatsächlichen Wahrheiten und dies um so mehr, als er selbst mit seinem Liebesleben nicht zurechtkommt und nicht nur in seiner zerbrochenen Ehe ein Gestrauchelter ist.
Seine Unsicherheit und die Ahnung, den Ansprüchen von Frauen – wie auch der derzeitigen Freundin – gefühlsmäßig nicht gerecht werden zu können, wird jedoch nicht nur durch die Fremde noch verstärkt. Da ist auch die von ihm einst ungewollte dreijährige Tochter, mit der er an den Besuchswochenenden nichts Rechtes anzufangen weiß. In all seiner Beziehungsunfähigkeit lechzt er schließlich geradezu nach den mysteriösen und so selbstreflektierend offenen Briefen.
In den wenigen konkreten Handlungspassagen versucht Marcos sogar, die Identität der Unbekannten oder zumindest des wirklichen Adressaten herauszufinden. Insgesamt aber ist dies eine Art halber Briefroman, der mit viel Unausgesprochenem und Rätselhaftem auf eine subtile, entschleunigte Weise fesselt und bis zum recht überraschenden Schluss immer wieder auch grübeln lässt. Fazit: ein langsames und ebenso tiefgründiges wie anspruchsvolles Lesevergnügen.

# Carola Saavedra: Blaue Blumen (aus dem Portugiesischen von Maria Hummitzsch); 223 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 18,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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