ERIK LARSON: „DER UNTERGANG DER LUSITANIA“


Es ist 14:10 Uhr an dem klaren, sehr schönen 7. Mai 1915, als Leslie Morton im Steuerbordausguck des britischen Luxusdampfers „Lusitania“ in 450 Meter Entfernung eine unheilvolle Gischtspur auf das Schiff zurasen sieht. Ein deutscher Torpedo mit 350 kg Sprengstoff trifft mit 35 Knoten Geschwindigkeit auf Höhe der Brücke zum Todesstoß.
Mit diesem für die Augenzeugen atemberaubenden aber eben auch tödlichen Schauspiel setzte die größte Schiffskatastrophe des Ersten Weltkriegs ein. Es gibt darüber zwar bereits Literatur und Filme, US-Erfolgsautor Erik Larson aber legt nun mit „Der Untergang der Lusitania“ eine geradezu romanhaft aufgearbeitete, höchst spannende Reportage vor. Er versichert dazu glaubhaft, dass er nicht nur sehr intensiv recherchiert hat, auch alle Einzelszenen, wörtliche Reden und Charaktere beruhen auf den echten Geschehnissen.
Gleichwohl gelingt ihm ein erzählender Sachbuch-Stil, der auch dank des ein oder anderen wenig bekannten Details für ein packendes Leseerlebnis sorgt. Deutlich wird, das der Untergang des 240 Meter langen und 31.550 BRT großen Schiffes quasi eine Katastrophe mit Ankündigung war. Eine Woche vor dem Auslaufen von New York nach Liverpool hatte die Kaiserlich Deutsche Botschaft in Washington mit landesweiten Zeitungsannoncen vor der Gefahr von U-Bootangriffen auch auf Handelsschiffe in britischen Hoheitsgewässern gewarnt.
Eine Warnung, die selbst der erfahrene „Lusitania“-Kapitän William Turner nicht ernst nahm. Deshalb gibt es auch kaum Reiserücktritte und am 1. Mai legt der Luxusliner mit rund 1950 Menschen an Bord zu einer bis zum 7. Mai reibungslosen Überfahrt ab. In Sichtweite Irlands jedoch lauert „U 20“, das Unterseeboot von Kapitänleutnant Walther Schwieger und der dichte Nebel verflüchtigt sich bald völlig.
Normalerweise hätte das U-Boot keine Chance gehabt, den mit 18 kn fahrenden Riesendampfer zu erwischen. Der aber läuft infolge verhängnisvoller Kursänderungen so passend ins Fadenkreuz Schwiegers, dass ein einziger Torpedo das Ende bedeutet. Der trifft das moderne, als unsinkbar geltende Schiff so unglücklich, dass es innerhalb von 18 Minuten untergeht. Eine Vielzahl einzelner Szenen beschreibt Chaos und Not an Bord mit Einzelschicksalen, wie Larson ohnehin durch den Einbau überlieferter persönlicher Berichte von Überlebenden für ein realistisches Bild der Ereignisse sorgt, das unter die Haut geht.
Er beleuchtet aber auch jene lange Zeit für Spekulation sorgende schwere zweite Explosion ganz kurz nach der Detonation des Torpedos. War es ein zweiter Treffer, den das Logbuch des deutschen Kapitäns aber ausschließt, oder war es die viele Jahre vehement bestrittene Ladung von gut 10 Tonnen Kriegsmunition, die hochging? Larson stellt dem eine technisch nachzuvollziehende Theorie von einiger Logik entgegen, nach der das Bersten der Hauptdampfleitung ursächlich war.
Thematisiert wird aber auch die zumindest fahrlässige Abwesenheit von britischen Marineeinheiten in diesem bekanntermaßen U-Boot-gefährdeten vielbefahrenen Seegebiet. Zugleich sollte die „Lusitania“-Katastrophe noch Folgen von kriegsentscheidender Bedeutung bekommen, denn unter den rund 1200 Toten waren auch 128 Bürger der zu dieser Zeit noch neutralen USA. Nur mit großer Mühe und bei sofortigen Abbruch der U-Boot-Blockade konnte das Kaiserreich den Kriegseintritt der Amerikaner – vorläufig und nur bis 1917 – abwenden.
Fazit: eine spannende romanhafte Aufarbeitung dieses dramatischen Kriegsereignisses vor nunmehr 100 Jahren, die bei aller Kühle der Reportage doch sehr fesselt.

# Erik Larson: Der Untergang der Lusitania. Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs (aus dem Amerikanischen von Regina Schneider und Katrin Harlaß); 462 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 25


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: NF 302 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de