URSULA NIEHAUS: „DIE STADTÄRZTIN“


Es gab sie wirklich, diese Agathe Streicher (1520-1581), die es zur ersten Stadtärztin in deutschen Landen brachte und 1576 als höchste Anerkennung sogar den siechen Kaiser Maximilian II. behandeln durfte. Ihren dornenreichen Weg bis zu dieser Stellung in einer Zeit, in der Frauen noch lange weitgehend rechtlos waren, nahm Ursula Niehaus zur Vorlage für ihren Historienroman „Die Stadtärztin“.
Vor dem Hintergrund der realen Verhältnisse in der Reichsstadt Ulm und den Umbrüchen der Reformationszeit schildert die Autorin, wie das Leben der Bürgerstochter Agathe Streicher möglicherweise verlaufen ist. Natürlich sollte sie eigentlich gut verheiratet werden und als Tochter aus gutem Hause hatte sie die Aufgabe, feine Handarbeiten zu verrichten.
Stattdessen jedoch trieb es die intelligente und wissbegierige junge Frau heimlich ins Haus der Beginen, in dem arme Kranke gepflegt wurden. Eine Scheu vor Wunden hatte sie ebenso wenig wie Angst vor Ansteckungen, um so größer war ihre Neugierde auf alles Medizinische. Sie nutzte ihre Möglichkeiten, um das so wichtige Latein zu erlernen, aber auch alles, was es sonst an Wissenswertem gab.
Ihr Neid galt ihrem Bruder Augustin, der in Heidelberg Medizin studieren durfte. Durch eine List gelang es ihr, den Studiosus dazu zu bringen, dass er sie regelmäßig in allem unterrichtete, was er über die Heilkunde erlernt hatte. Mit viel Hartnäckigkeit setzte sie sich außerdem in der Familie durch, so dass sie statt unters Ehejoch zu gehen zur Assistentin ihres Bruders in dessen späterer Praxis avancierte.
Ganz nebenher beschreibt Ursula Niehaus auch die religiösen Querelen verschiedener Glaubensrichtungen, die es auch in Ulm gab. Zu den wichtigsten Akteuren zählte hierbei Kaspar Schwenckfeld von Ossig – auch er eine historisch verbürgte Persönlichkeit – mit dem Agathe zumindest im Roman eine tiefe, aber nicht ins Glück führende Liebesbeziehung verband. Ihrer Berufung jedoch konnte sie schließlich tatsächlich nachgehen und es ist urkundlich gesichert, dass sie ohne das verbotene Medizinstudium 1561 den Eid auf die Ärzteordnung der Reichsstadt Ulm ablegte und noch 20 Jahre bis an ihr Lebensende als weit über die Stadt hinaus gerühmte Ärztin praktizierte.
Das Alles ist sehr umgangssprachlich geschrieben und die historische Faktengenauigkeit hält sich auf bescheidenem Niveau. Als historisierender Roman um eine interessante Frauenfigur der Geschichte aber bietet „Die Stadtärztin“ recht spannende Unterhaltung.

# Ursula Niehaus: Die Stadtärztin; 430 Seiten; Knaur Verlag, München; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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