ELA ANGERER: „BIS ICH 21 WAR“


Die Mutter wollte sie gar nicht erst haben, dem Vater war sie einfach zu hässlich und später, als der durch einen millionenschweren Cadillac-Fahrer ersetzt wurde, war das auch kein Fortschritt für die Kleine aus mondänem neureichen Hause.
Wie sich solch eine Atmosphäre der wohlstandsgeschwängerten Lieblosigkeit auf ein Kind auswirkt, das schildert die Wiener Autorin und Fotografin Ela Angerer in ihrem Debütroman „Bis ich 21 war“. Doch wie fiktiv ist diese auf ätzende Weise nüchterne Rückschau, denn vieles lässt darauf schließen, dass diese Ich-Erzählerin sehr stark autobiographisch geprägt ist und sie diese soziale Verwahrlosung im prallen Luxus ganz real erlebt und durchlitten hat.
Als Kind wird von ihr nur das Funktionieren mit adretten Manieren erwartet. Gegenleistungen oder gar Zuwendung unterbleiben gänzlich, zumal die herzlose Mutter ohnehin die meiste Zeit mit ihrem Galan im Jet-Set unterwegs ist, um zum Beispiel mit Omar Sharif an fernen Gestanden Bridge zu spielen. Eine grandiose Szene entsteht, wenn die vornehme Dame größte Anstrengungen unternimmt, damit ihre neun Nerzmäntel den Sommer gut klimatisiert überstehen.
Auch den Geschwistern der Ich-Erzählerin bleibt nur die Versorgung durch eher hilflose Angestellte auf dem feudalen Landsitz. Als die Protagonistin mit 13 eine lesbische Affäre eingeht und zudem alles an Drogen konsumiert, was sie bekommen kann, fällt das sogar den selbst allerlei Psychopharmaka einwerfenden Eltern auf. Abgeschoben in ein Internat wird ihr Leben noch unerfreulicher und einsamer. Da werden die Erinnerungen an den handgreiflich geilen Großvater zur galligen Marginalie. Um so zielloser gestalten sich die Versuche, Zuneigung und Anerkennung durch Lügen, noch mehr Drogen und auch gleichgültigen Sex zu finden.
Nur in der Grenzüberschreitung gelingt da eine selbstzerstörerische Befreiung und bis dahin fesselt dieser spröde und in seiner lakonischen Nüchternheit um so eindringlicher wirkende Erzähltstil ganz ungemein. Nein, die Autorin kehrt nicht das Skandalöse an dieser so authentisch geschilderten Kindheit und Jugend heraus, distanziert und analysierend überlässt sie dem Leser die Empörung. Fazit: keine leichte Lektüre, aber ein großartiges Debüt.

# Ela Angerer: Bis ich 21 war; 189 Seiten; Deuticke Verlag, Wien; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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