ELI
BROWN:DIE KULINARISCHEN ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN EINER KANONENKUGEL
Wenn jemand um sein Leben kochen muss und das auch noch aus der dürftig ausgestatteten
Kombüse eines Piratenschiffes heraus, dann kommt Mitleid auf. Und genau das gilt Owen
Wedgewood, viele gute Jahre Koch beim reichen Lord Ramsey, bis der im August 1819 bei
einem Piratenüberfall daheim im englischen Sussex vor Wedgewoods Augen erschossen wird.
Die ganze Geschichte erfährt der Leser nun aus den Tagesbuchaufzeichnungen von Wedge, wie
der beleibte Koch und Ich-Erzähler von seinen Entführern gerufen wird. Die hat Eli Brown
zu dem ebenso überkandidelten wie spannenden Roman Die kulinarischen
Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel gemacht. Verursacherin der Zwangslage
ist Mad Hannah Mabbott, attraktive Piratenkapitänin mit roter Lockenpracht und Neigung zu
explosiven Gewaltausbrüchen.
Dem braven, völlig verängstigten Koch macht Mabbott an Bord ihrer Flying
Rose einen haarsträubenden Vorschlag: jeden Sonntag muss er ihr ganz exklusiv ein
Dreigangmenü zaubern. Aber es darf nicht profan sein und sich niemals
wiederholen, sonst landet Wedge bei den Haien im Meer. Die Konditionen in der
Schiffsküche sind jedoch fast so fatal wie die der Vorratskammer. Kein Wunder, dass Wedge
jedes Mal arg ins Schwitzen gerät, andererseits gestalten sich die Mahlzeiten mit
Mabbott, die ihn stets bei Tisch dabei haben will, zunehmend angenehmer.
Im Gegensatz zu so manchen wilden Kämpfen, mal zur Erbeutung eines Handelsschiffes, mal
im tödlichen Streit mit Rivalen. Wobei Captain Laroche mit seiner La Colette
und fürchterlichen Geheimwaffen zur schlimmsten Bedrohung auch für Wedge wird. Die
Piraten an Bord aber erweisen sich zwar als furchterregende Gesellen, verblüffen jedoch
auch mit anderen Eigenschaften.
Doch auch Mabbott hat ihre Geheimnisse, hinter die Wedge eher zufällig kommt. Nicht
umsonst widmet die rassige, von ihrer bunt zusammengewürftelten Crew heiß geliebte
Piraten-Chefin ihr Hauptaugenmerk auf die Jagd nach dem Piratenkollegen Fox sowie der
Vernichtung der Pendleton Trading Company, für deren Opium-Schiebereien Lord Ramsey
mitverantwortlich war. Wie das Alles ausgeht, sei hier nicht verraten, wohl aber, dass
diese Geschichte voller Überraschungen steckt und selbst romantische Gefühle ihren Platz
finden.
Wedge gerät ebenfalls oft genug in Lebensgefahr, zugleich steckt auch viel praller Humor
in der mitreißenden Prosa. Besonders jedoch fasziniert immer wieder auch die hohe Kunst,
wie und unter welchen Umständen er der Lady ein Dinner auf Gourmet-Niveau kredenzt, dass
einem beim Lesen das Wasser im Munde zusammenläuft. Und hierzu ist schließlich der
einzige Minuspunkt dieses herrlichen Unterhaltungsromans anzumerken: die Rezepte des Owen
Wedgewood hätten unbedingt in den Anhang gehört! Wie man eine Kanonenkugel kulinarisch
nutzen kann, wird allerdings tatsächlich beschrieben.
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