ANTON HOLZER: „RASENDE REPORTER“


Was heute so selbstverständlich ist, dass Zeitungen und Zeitschriften reich bebildert sind mit sensationell aktuellen Schnappschüssen von spektakulären Ereignissen, das entstand erst vor etwas über 100 Jahren. Um 1890 begann die Fotografie die Zeichnungen von Personen und Geschehnissen in den Printmedien zu verdrängen.
Der Anfangsgeschichte und der rasanten Entwicklung der Pressefotografie widmet sich nun der renommierte Fotohistoriker Anton Holzer mit dem opulenten Textbildband „Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus“. Es sei vorausgeschickt, dass der Experte das Ganze in den Ausformungen seiner österreichischen Heimat schildert, das allerdings darf man durchaus als exemplarisch fÜr Entstehen und Fortschreiten gerade auch in hierbei führenden Ländern wie den USA oder Deutschland ansehen.
Voraussetzung war damals logischerweise der Fortschritt der noch jungen Fotografie und die Pioniere hatten anfangs keinen nennenswerten Status, dafür mussten sie umso mehr als schlecht entlohnte Zulieferer bei Wind und Wetter schwere Glasplattenkameras herumschleppen. Doch immerhin zeigten die Fotografen erstmals Bilder, wie sie noch kaum jemand kannte von all den Monarchen, Politikern, Künstlern, Sportlern und sogar Ganoven. Statt mühsam zu konsumierender „Bleiwüsten“ gab es nun Artikel mit Anreißern und Hinguckern.
Der ganz große Aufschwung kam schließlich zwischen den Weltkriegen, die Auflagen von Zeitungen und sogenannten Illustrierten stiegen allenthalben rasant an. Zugleich erwartete das Publikum immer zeitnähere, spektakulärere und qualitativ überzeugende Aufnahmen. Nun traten auch erste Stars unter den Fotojournalisten hervor mit entsprechenden Honoraren. Entscheidend aber waren im Tageszeitungs- und Boulevardgeschäft Geschwindigkeit und Exklusivität – deshalb auch das Aufkommen der Bezeichnung „rasender Reporter“ auf der Jagd nach Sensationen.
Holzer offenbart auch die Macht der Bilder, die gerade die Politik schon in den frühen Zeiten zu nutzen wusste. Das zeigte sich sowohl im Aufkommen prägender ganzseitiger Titelblattfotos wie auch in inszenierten Bildern. Doch auch die Sportfotografie und die von Stars und Künstlern wurden immer unverzichtbarer und die Höhenflüge der Pressefotografie als weltweites Bildmassenmedium wurden erst in den 60er Jahren durch die Konkurrenz des Fernsehens mit seinen gleichermaßen hochaktuellen aber außerdem auch noch bewegten Bildern massiv ausgebremst.
Der Fotohistoriker bietet mit diesem Band eine spannende Rekonstruktion der Entwicklung mit manch überraschenden Erkenntnissen und vor allem einer Fülle hinreißenden „alten“ Bildmaterials. Und immer wieder erweisen sich einst oft schnell vergessene Zeitungsbilder aus der Tagesaktualität als erstaunliches fotografisches Quellenmaterial der Zeitgeschichte.

# Anton Holzer: Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus; 496 Seiten, ca. 530 Abb, Großformat; Primus Verlag, Darmstadt; € 48

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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