HOWARD
JACOBBSON: IM ZOO
Howard Jacobson ist als Autor ein Spätberufener, seinen jüngsten hier erschienenen Roman
Im Zoo hatte er bereits begonnen, als der Vorgänger Die
Finkler-Frage mit der Verleihung des britischen Man-Booker-Prize 2010 endlich für
den großen Durchbruch sorgte. Entsprechend autobiographisch mutet denn auch diese
Geschichte um den Schriftsteller Guy Ableman an.
Der Mittvierziger hatte zunächst in einem nordenglischen Städtchen die noble elterliche
Damenboutique geführt, dann jedoch in recht jungen Jahren den Bestseller Wer schert
sich einen feuchten Affen? verfasst. Der war mit einer ziemlich spektakulären
Schimpansenpflegerin im Zoo im Mittelpunkt ein literarischer Höhenflug gewesen, seither
dümpelt Ablemans Ruhm eher dahin. Um so mehr könnte er sich eigentlich seiner
wunderschönen Frau Vanessa widmen, die selbst ein Buch begonnen hat, aber einfach nichts
aufs Papier bringt.
Und nun wächst die Krise quasi täglich auf gleich mehreren Ebenen. Da bringt sich sein
Verleger um und der Nachfolger denkt statt an Literatur ausschließlich an Umsatzzahlen
mit der Ware Buch, egal auf welchem Medium und Niveau. Guys Popularität als Autor
schwindet und er steckt in einer massiven Schaffenskrise. Obendrein aber knirscht es auch
in der Beziehung, denn Vanessa piekst ihn in vielerlei Hinsicht. Wobei ihre Mutter eine
von ihr selbst offenbar ungeahnte Rolle spielt, denn diese Poppy Eisenhower ist ähnlich
rotmähnig wie die Tochter und trotz ihres Alters mindestens ebenso begehrenswert.
Das nun wieder beherrscht Guys egomanes Alphatier-Gehirn immer quälender wie er
sie verführen könnte. Ein hochgradig erotischer Gedanke, der durch viel Nähe und Poppys
Gewohnheiten sich zu kleiden und allabendlich pünktlich um 18 Uhr einen Schwips zuzulegen
noch zusätzlich aufgeheizt wird. Kein Wunder, wenn sich Guy da bei einer besonders
inbrünstigen Betrachtung der verschwitzten und angesäuselten Lady eingesteht:
Gegen diese Art von Schönheit kannte ich keine Gegenwehr.
Da vermengt sich der Drang, Poppy tatsächlich an die Reizwäsche zu gehen, mit der
eigenwilligen Idee, daraus endlich den ersehnten neuen Romanstoff zu machen. Wobei dem
Ich-Erzähler bewusst ist, welches Problem dabei die große Nähe zu Vanessa wäre
wie würde sie reagieren, wenn er in diesem Roman, also wirklich ganz fiktiv, seinen
Helden mit seiner Schwiegermutter rummachen ließe? Was für ein Dilemma: Ehe riskieren
oder auf das Buch verzichten?
Doch Guy brütet ja nicht nur über derlei pikante Fantasien, er hadert außerdem ständig
mit der Gegenwart, mit dem Niedergang des Literaturbetriebes, wo Bücher über Vampire,
Zauberlehrlinge und Hausfrauensex für den schnellen Konsum ebenso das Niveau verderben
wie die Gleichgültigkeit gegenüber korrekter Grammatik. Um so mehr sorgt Vanessa dann
für eine alles umstürzende Überraschung, als sie doch noch ihren eigenen Roman
fertigbringt und der unter dem ominösen Titel Gibt es Affen in der
Affenbucht? erfolgreich verfilmt wird.
Wie dann irgendwie alles ganz anders kommt und wieso ausgerechnet ein Literatursnob wie
Guy Ableman schließlich Trivialromane wie Die gute Frau schreibt, das sei
hier nicht verraten. Dieser elegante Roman mit seiner geschliffenen Prosa und den
funkelnden Dialogen voller Esprit und subtil knisternder Erotik sowie manch hinreißenden
Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien fesselt und überzeugt, obwohl er mit ganz wenig
Handlung prunkt. Hauptfigur Ableman ist ein herrlich larmoyanter Intellektueller, gewiss
ein wenig weltfremd, das jedoch mit viel Scharfblick für den Literaturbetrieb und den
Niedergang kultureller Werte an sich.
Fazit: diese Tragikomödie ist eine prall gefüllte Wundertüte der Literatur für
anspruchsvolle Leser.
|