FRANCOIS SAINTONGE: DOLFI UND
MARILYN
Was für ein Schock: da kommt der etwas linkische Tycho Mercier, Geschichtsprofessor an
der Pariser Sorbonne, eines Nachmittags nach Hause und findet in seinem Wohnzimmer Adolf
Hitler vor. Zwar eine etwa 35-jährige Ausgabe ohne Bärtchen, aber unverkennbar Hitler.
Die verblüffende Erklärung gibt ihm Sohn Bruno, der sich mit Dolfi bereits
angefreundet hat: seine Mutter, also Merciers geschiedene Frau Phoebé, hatte diesen Klon
bei einer Supermarkt-Tombola gewonnen und dem Zehnjährigen als Spielkameraden geschenkt.
Grundsätzlich wäre ein Klon für solche Zwecke oder als dienstbarer Geist im Jahr 2060
ja nichts Ungewöhnliches, doch dieser stellt sich eben vor als Nummer 6 der Serie
Adolf Hitler, stets zu Diensten! Das aber kann nur Ärger bereiten, denn gerade erst
wurde das Klonen von Berühmtheiten verboten. Werden sie erwischt, droht dem Eigner Strafe
und dem Klon die Entsorgung.
Doch kaum hat sich Mercier halbwegs mit Dolfi abgefunden, mit dem Bruno voller
Begeisterung am Computer die PC-Schlachten des Zweiten Weltkriegs durchspielt. Immerhin
hat der Ableger im Wesen nichts vom Führer, stattdessen ist er höflich, bescheiden und
redet bei allem schnarrend teutonischen Akzent eher unterwürfig. Die ebenso schräge wie
satirische Geschichte, die der französische Autor Francois Saintonge übrigens das
Pseudonym eines angeblich arrivierten Schriftstellers trägt allerdings den Titel
Dolfi und Marilyn und mit letzterer ist keine Geringere gemeint als die selige
Hollywood-Ikone Marilyn Monroe.
Einen Klon der blonden Sexbombe hatte sich Merciers greiser Nachbar zugelegt und
vermutlich nicht nur, um im Haushalt zur Hand zu gehen. Grad hat sich der Professor an AH6
gewöhnt, da fällt ihm auch dieser Klon ganz ungewollt als Erbe zu, als der Besitzer das
Zeitliche segnet. Mercier begonnt vor allem dieses unverhoffte Glück mit der
Sanftäugigen zu genießen, entgegen aller Bedenken, schließlich wäre der MM-Klon nicht
nur ohnehin schon verboten, er hat einen noch viel schlimmeren Makel als illegal
importierte Serienkopie hat MM nicht mal eine eintätowierte Seriennummer!
Und natürlich geht es schief, denn irgendwie gibt es einen Neider und Denunzianten und
schon steht die Polizei vor der Tür. Dolfi und Marilyn haben allerdings noch rechtzeitig
Reißaus genommen und Mercier kommt mit einem Bußgeld davon. Natürlich vermisst er die
so extrem angenehme Mitbewohnerin, wenngleich ihn schon auch der Gedanke quält, in eine
begehrenswerte Einzigartige verliebt zu sein, die aber dummerweise nur eine von unbekannt
vielen Klon-Ausgaben ist.
Immerhin trifft er sie nach einigen Jahren zufällig wieder. Sie arbeitet jetzt in einem
Nachtclub, um den Lebensunterhalt für sich und Tochter Geli zu verdienen. Von Kindesvater
Dolfi dagegen erfährt Mercier erst noch einige Zeit später, als ihn der Uralt-Nazi
Gentschel im Namen des Kanzlers in ein obskures Fürstentum in den Schwarzwald
einlädt.
Das Finale artet recht schräg aus, ansonsten aber bietet diese in Frankreich bereits viel
gerühmte Satire mit viel Esprit und manch hintergründigen Gedankenspielen ein ebenso
leichtfüßiges wie bissiges Lesevergnügen. Im Übrigen wäre eine Verfilmung
wünschenswert...
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