MICHAEL BALLHAUS: „BILDER IM KOPF“


Seine Kindheit und Jugend als Sohn eines wenig konventionell lebenden Schauspielerehepaares, erst in Berlin und später mit deren Theater in der fränkischen Provinz, haben Michael Ballhaus offenbar durchaus positiv geprägt, denn schon früh wurden jene Eigenschaften gefördert, die ihn zu einem der bedeutendsten Kameramänner der Welt werden ließen.
Nun legte der mittlerweile 79-Jährige eine Autobiographie unter dem Titel „Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens“ vor, die er zusammen mit dem FAZ-Feuilleton-Chef Claudius Seidl verfasste. Ballhaus erzählt offen und freimütig, bleibt dabei aber trotz all der irrwitzigen Ereignisse in der Filmwelt stets Gentleman. Und er vermeidet jeden Anflug von Selbstmitleid, das verständlich wäre, liest man seinen Eingangssatz: „Dies sind die Erinnerungen eines Mannes, der mit seinen Augen gelebt und gearbeitet hat.“ Immerhin beschreibt Ballhaus gegen Schluss, wie ihn der Grüne Star immer mehr erblinden lässt.
Doch der Mann der eindrucksvollen Worte versteht es auch, spannend und bildstark zu erzählen aus seinem geradezu romanhaft bewegten Leben. Etwas mit Kunst und Technik wollte er als Beruf ausüben und sein Vater vermittelte ihn ganz jung an den berühmten Regisseur Max Ophüls zu Dreharbeiten in Bamberg – die Initialzündung. Mangels einer Film-Akademie in den 50er Jahren machte Ballhaus eine Fotografenlehre und schaffte den Aufstieg bis zum Fernseh-Kameramann. Bis die nächste große Weichenstellung erfolgte: Rainer Werner Fassbinder wollte Ballhaus als Kameramann.
Der bodenständige Familienmensch und der ebenso exzessive wie geniale Neuerer des deutschen Films wurden zu einem ungeheuer produktiven Gespann, das gemeinsam 16 Filme schuf. Dabei setzte Ballhaus bei „Martha“ die erste seiner legendären 360°-Kamreafahrten ein. Nach „Die Ehe der Maria Braun“ hielt er allerdings die Ausraster Fassbinders nicht mehr aus und beendete die Zusammenarbeit. Doch nicht viel später kam der nächste große Schwenk, erneut zu einem herausfordernden Regie-Star, diesmal aber in Hollywood.
Damit begann eine großartige Reihe von Kameraarbeiten für Martin Scorcese, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen bedeutenden Regisseuren wie Francis Ford Coppola, Robert Redford oder Wolfgang Petersen. Mit 50 hatte Ballhaus seine US-Karriere begonnen und sie sollte bis 2005 dauern, ihm viele Höhepunkte einschließlich drei Oscar-Nominierungen und zum Abschluss den Anteil an Scorceses größten Filmerfolg „The Departed“ bescheren.
Da liest es sich bei Ballhaus ebenso lässig wie spannend, wenn er vom Zusammenwirken mit Superstars von Paul Newman, Robert de Niro bis zum schwierigen Jack Nicholson erzählt. Mindestens so interessant sind auch die Arbeiten mit weiblichen Stars von Julia Roberts bis Meryl Streep und hier trifft ein kluges Zitat aus seinem reichen Erfahrungsschatz in besonderem Maße zu: „Es ist der Kamermann, der die Augen zum Leuchten, das Gesicht zum Strahlen bringen kann, und die meisten Schauspielerinnen wissen das.“
Wenn der Kameravirtuose dennoch offenbar selten oder nie auf Abwege geriet, hatte er das seiner ersten Ehefrau Helga zu verdanken, mit der ihn eine fast 50-jährige liebevolle Ehe verband, nachdem sie sich bereits als 17-Jährige kennengelernt hatten. Es gehört dann zu den stärksten Passagen dieser gänzlich uneitel erzählten Memoiren, wenn Ballhaus das plötzliche Sterben der ehemaligen Schauspielerin schildert, kurz nachdem er mit 70 Jahren das Filmemachen abgeschlossen hatte. Fazit: ein sympathischer Großer des Filmschaffens gibt einen fesselnden Bericht über ein interessantes Leben ab, der bei aller Diskretion sehr aufschlussreich ist.

# Michael Ballhaus/Claudius Seidl: Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens; 320 Seiten, div. Abb.; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 22,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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