PHIL HOGAN: „DIE SELTSAME BERUFUNG DES MR HEMING“


„Meine besten Momente trugen Züge eines komischen Heroismus“. Das stellt der Immobilienmakler William Heming irgendwann inmitten der Schilderung seines Lebens fest und sagt das bei aller britischen Nüchternheit mit einem gewissen Stolz. Allerdings ist dieser Held von unauffälliger Erscheinung, um so ungewöhnlicher bis beängstigend sind seine Lieblingsbeschäftigungen.
Und genau um die dreht sich Phil Hogans Roman „Die seltsame Berufung des Mr Heming“. Schon als Jugendlicher spioniert Heming im Internat seine Mitschüler und Lehrer aus und man ahnt, dass die unterkühlte Atmosphäre seines Elternhauses nach dem frühen Tod der Mutter tiefgreifende Auswirkung auf ihn hatte. Schon in der Schulzeit schleicht er sich ein, taucht in das Privatleben der Observierten ein und schon hier führt sein gediegener Sinn für Gerechtigkeit zu Bestrafungen der heimlichen aber folgenreichen Art.
Eine solcher Aktionen führt zum Schulverweis und geradewegs in eine für seine innigsten Wünsche Berufszukunft: in die Firma von Immobilienmakler Mowers mit paradiesischen Möglichkeiten. „Unsichtbarkeit war für mich lange Zeit die Eintrittskarte zu meinen schönsten, unvergesslichsten Erlebnissen“. Dafür aber ist der Maklerberuf wie prädestiniert, denn die Hausverkäufer vertrauen dem Makler üblicherweise ihre Schlüssel für die notwendigen Kundengespräche an.
Ohne zu ahnen, dass dieser strebsame junge Makler-Azubi von der ersten Gelegenheit bis Jahre später, als er sich erfolgreich zum Inhaber der Firma hochgearbeiotet hat, sich von jedem Hausschlüssel umgehend ein Duplikat anfertigen lässt. In seiner abgeschotteten Wohnung ziert die Schlüsselsammlung eine ganz Wand und es ist ihm eine Wonne, wann immer es ihm beliebt, in eines der Häuser einzudringen, um quasi schattenhaft am Privatleben der Besitzer teilzuhaben. Zuweilen greift er dezent ein, manchmal sorgt er bei unliebsamen Zeitgenossen für Bestrafungen.
Natürlich ohne Hinweise auf sein Tun, auch wenn er schon eine Tee trinkt oder eine Kleinigkeit isst bei seinem heimlichen Besuch. Einzige Spur ist jeweils ein an schwer zugänglicher Stelle eingeritztes Markenzeichen. Mit Pedanterie und subtilem Humor treibt er sein seltsames Unwesen, ein schlechtes Gewissen aber ist ihm selbst bei noch so intensiven Einflussnahmen auf das Leben seiner heimgesuchten völlig fremd. Das gilt dann auch für Liebesbeziehungen, denn er mag Frauen zwar, am meisten jedoch, so lange sie ihm noch nicht zu nahe gekommen sind. Da enthüllt sich eine massive Beziehungsangst und er beendet Affären recht bald, gewissermaßen vorbeugend als Schutz vor einem „Verlust von Liebe“.
William Heming ist intelligent, ordentlich, vorausschauend, will Gutes für seine kleine Stadt tun und – er nimmt den Leser auf atemberaubende Weise für sich ein. Selbst als irgendwann kommt, was ja mal kommen musste – eine letal endende Überraschung bei einer seiner „Heimsuchungen“. Und hier offenbart sich die psychologische Raffinesse dieses ganz und gar fesselnden Romans: man drückt dem verstörenden Eigenbrötler trotzdem die Daumen, dass er nicht auffliegt.
Phil Hogan spricht mit tiefschwarzem Humor den Voyeurismus wie auch den klitzekleinen Wunsch nach ein bisschen Lynchjustiz gegenüber üblen Mitmenschen bei seinen Lesern an und eröffnet damit eine Art Festival der Schadenfreude. Fazit: ein hinreißender Roman. Nach dessen Lektüre man sich allerdings unweigerlich fragt, ob es da wohl einen Mister Heming auch in seinem eigenen Umfeld geben könnte...

# Phil Hogan: Die seltsame Berufung des Mr. Heming (aus dem Englischen von Alexander Wagner); 367 Seiten; Kein & Aber Verlag, Zürich; € 19,90


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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