ANTHONY McCARTEN: „FUNNY GIRL“


Auch in seinem mittlerweile sechsten Roman ist es dem neuseeländischen Erfolgsautor Anthony McCarten gelungen, mit Raffinesse und bissigem Witz ganz heiße Themen anzufassen. „Funny Girld“ spielt in seiner Wahlheimat London und die Heldin darin tut Unerhörtes: sie geht als scharfzüngige Stand-up-Comedian auf die Bühne und das in eine Burka gekleidet.
Diese Azime Gevas ist 20 Jahre alt und lebt von klein an mit ihren kurdischen Eltern in einem typischen Einwandererstadtteil. Der Vater lässt sie in seinem wenig erfolgreichen Möbelgeschäft arbeiten und die strenggläubige Mutter sucht intensiv nach einem Ehemann für Azime. Sie kommen sich ja so britisch vor und sind doch verbissen in dem einst mitgebrachten Sittenkodex verhaftet. Noch hat sich Azime bis auf die grundsätzliche Ablehnung jeglicher Heiratskandidaten zuhause eingefügt. Da stolpert sie gewissermaßen mit einem Freund in eine Art VHS-Kurs für Komiker.
Eine Initialzündung wird das, denn zwei Dinge kommen zusammen. Zum Einen begeht eine gemeinsame Freundin Selbstmord nach Aufforderung, um die Familienehre wiederherzustellen. Ihr schlichter Sündenfall war, dass sie sich in einen italienischen Jungen verliebt hatte. Hinzu kommt bei Azime, dass diese sogleich spürt, wie viel Talent und Willen da drängen. Und bald hat sie erste Auftritte, für die sie sich aber mit einer Burka tarnt, um ihre Identität zu verheimlichen.
Wer McCartens Romane kennt, weiß, welch verwegene Verknüpfungen und falsche Spuren er anlegt und das gilt auch hier. Man stelle sich die allgemeine Stimmung nach den Terroranschlägen von 2005 auf die Londoner U-Bahn vor und dazu eine Muslima, die nicht nur lustige Witze in der Burka macht sondern auch das Leben als Kurdin in einer traditionellen Familie im modernen London mit ätzender Satire dem Gelächter preisgibt. Gerade das so „missbrauchte“ Tarnungstextil aber macht im Nu ihr unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal aus.
Natürlich gibt das Ärger und der Druck seitens der Familie ist noch der harmloseste dabei. Neben dem Generationskonflikt reicht das weit hinein in den Kampf der Kulturen und es überrascht immer wieder, wer da mit heftigsten Folgen droht und wie Azime damit umgeht. Der Erfolg allerdings ist immens und mit ihrer angeborenen Bühnenpräsenz steht sie schon nach wenigen Abenden vor einer einzigartigen Herausforderung – Auftritt vor 15.000 in der riesigen O2-Arena.
Mit ihrer brisanten Mischung aus respektloser Comedy und dem satirischen Sezieren der Art und Weise, wie sich muslimische Immigranten ins moderne westliche Leben einfügen – oder eben nicht – bringt sie die Massen zum Toben. Und sie setzt dem Ganzen eine tollkühne Krone auf. Mehr jedoch sei hier nicht verraten, denn Anthony McCarten schreibt ja nicht nur ohne jede Konfliktscheu, er schreibt auch ausgesprochen packend und realistisch. Diesmal allerdings hat er sich mit seinem rasanten Stil und der höchst provokanten Szenerie noch einmal selbst übertroffen.

 

# Anthony McCartzen: Funny Girl (aus dem Englischen von Manfred Allié und Gfabriele Kempf-Allié); 374 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 21,90

WOLFGANG A. NIEMANN   (wan/JULIUS)

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