ASFA-WOSSEN
ASSERATE: DER LETZTE KAISER VON AFRIKA
Kaiser Haile Selassie (1892-1975) war Herrscher Äthiopiens, der mit 3000 Jahren wohl am
längsten existierenden Monarchie und zugleich des einzigen nie kolonialisierten Landes
Afrikas. Wer aber war dieser kleine ernste Mann, an den den man sich fast nur in
Paradeuniformen erinnert?
Kaum jemand ist mehr berufen zu einer tiefgehenden Biographie des Autokraten, der 1930 den
Thron bestieg, als Asfa-Wossen Asserate. Der Erfolgsautor ist ein Großneffe des von den
Rastafaris noch heute als Messias Verehrten und sein Vater war der letzte Präsident des
Kaiserlichen Kronrats. Der letzte Kaiser von Afrika. Triumph und Tragödie des Haile
Selassie hat er sein Werk überschrieben. Und es sei vorweg gesagt: dem
äthiopischen Adelsspross mit dem deutschen Pass ist trotz der Blutsbande und des
persönlichen Erlebens des Monarchen in Kindheit und Jugend eine wohltuend sachliche und
fundierte Biographie gelungen.
Obgleich Asserate keinen Anspruch auf hohe Wissenschaftlichkeit des Werkes erhebt,
erscheint alles gründlich recherchiert, wie auch der umfangreiche Anhang belegt. Er
beschreibt den Werdegang des jungen Haile Selassie, der sein großes rückständiges Reich
in vielem gewissermaßen ins 20. Jahrhundert brachte und zugleich als absolutistischer
Monarch par excellence ein wohlwollender Despot war.
Er war der erste afrikanische Herrscher, der ins Ausland reiste und dann 1936 nach dem
italienischen Überfall auf sein damals noch Abessinien genanntes Land ins Exil flüchten
musste. Hier wie bei seinem legendären Auftritt vor dem Völkerbund gründete er seinen
Ruf als einzigartig charismatische Persönlichkeit, als die er auch in den 60er Jahren
eine wichtige Rolle für die afrikanische Einheitsbewegung spielte. Doch der prowestliche
orientierte Reformer missachtet auch viele drohende Gefahren wie die durch Hungersnöte
und mangelnde Demokratie, indem er eine Opposition gar nicht erst zuließ.
Einen ersten Putschversuch überstand der so widersprüchliche Herrscher 1960 noch, weil
die kaiserliche Armee loyal blieb. Die Chancen echter Reformen nach diesem Warnschuss aber
nutzte der alternde Kaiser nicht, so dass ihn die zweite, diesmal massive kommunistische
Revolte von Thron fegte. Der Vater des Autors gehörte zu jener Elite Äthiopiens, die
dabei 1974 eliminiert wurde, während man Haile Selassie erst nur des Thrones enthob und
in einem VW Käfer abtransportierte. Aber auch der siegreiche Löwe von Juda -
so einer seiner offiziellen Titel wurde später ermordet.
Asserate hat diese Vita höchst lebendig und spannend verfasst, sein Buch geht jedoch
über die reine Biographie weit hinaus. Das riesige Land mit seinen vielen Ethnien,
Sprachen und Religionen wird in seiner politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen
Entwicklung vorgestellt, wobei der Blick des Insiders für manche besonders authentischen
Sichtweisen sorgt. Fazit: ein großartiges Lesevergnügen, das das Bild Äthiopiens
anders, realer erscheinen lässt.
|