HILARY RODHAM CLINTON: „ENTSCHEIDUNGEN“


Wenn jemand wie Hilary Rodham Clinton nach einem bewegten erfolgreichen Berufsleben seine Memoiren schreibt, können die nicht nur spannend sondern oft auch sehr aufschlussreich sein mit interessanten oder auch überraschenden Eröffnungen über Erlebtes und vor allem auch über Personen.
Enthüllungen, Scharfzüngiges oder gar Entlarvendes aus dem reichen Erfahrungsschatz von acht Jahren als First Lady an der Seite von US-Präsident Bill Clinton und zuletzt vier Jahre als Außenministerin von Präsident Barrack Obama aber sollte man in ihrer umfangreichen Autobiographie unter dem Titel „Entscheidungen“ nicht erwarten. Der Grund liegt auf der Hand: dies ist nicht der Rückblick auf ein abgeschlossenes Politikerleben, auch wenn die jetzt 66-Jährige schließlich auf Seite 883 endlich auf die längst allseits herumgeisternde Frage nach ihrer Kandidatur als Präsidentin der USA feststellt: „Ich habe mich noch nicht entschieden.“
So widmet sich die Vollblutpolitikerin in dem Wälzer, der gleich in den ersten Tagen seines Erscheinens zum Bestseller wurde, ausführlich vor allem den vier Jahren von 2009 bis 2013 als Außenministerin. 112 Länder hat sie dienstlich bereist und viel hat sie zu erzählen, wobei sie sich als versierte Außenpolitikerin zu erkennen gibt. Sie tut das ausgesprochen selbstbewusst und wenn es auch Fehler zuzugeben gab, überwiegt doch das, was sie für richtig gemacht erachtet – wenngleich man nach dem ein oder anderen großen, bleibenden Erfolgserlebnis vergebens sucht.
Der Reigen ist höchst bunt und lebendig und die vielen, teils anekdotenhaften Schilderungen der Begegnungen mit wichtigen Persönlichkeiten in aller Welt haben allerhand Interessantes zu bieten. Doch es scheint eine vorausschauende Vorsicht durch, mit der Clinton vermeidet, sich Feinde durch zu offene Analysen oder Enthüllungen zu machen. Da ist Wladimir Putin fast der Einzige, der ziemlich direkt als kalt und schwierig gar nicht gut wegkommt, obwohl sie hier durchaus ein paar überraschende Erkenntnisse beisteuert.
Zugleich gehört der Umgang Obamas mit dem russischen Präsidenten zu den wenigen Aspekten, bei denen sie sich offen zu einer anderen Haltung als der des zum Zauderer gewordenen US-Präsidenten bekennt. Das gilt dann auch für sie Syrien-Politik, bei der sie im Gegensatz zu ihm im frühen Stadium eine Bewaffnung der Aufständischen befürwortete. Natürlich kann sie im Gedanken an die mögliche Kandidatur nicht in größerem Umfang die Politik Obamas in Zweifel ziehen. Allerdings nutzt sie die Gelegenheit, einen ihrer peinlichsten politischen Fehltritte als solchen zu benennen und als im Nachhinein falsch zu deklarieren: ihr einstiges Jahr zum Irak-Krieg von 2002.
Was sich insgesamt herausschält, ist ihre Selbstdarstellung als entschiedene Liberale der Mitte, als Pragmatikerin, die sich unter anderem für Klimaschutz, mehr wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit sowie ein besseres Gesundheitswesen ausspricht, dabei aber nicht wirklich ein Programm erkennen lässt. Dennoch spürt man, wie viel Bewerbungspotential dieses Buch beinhaltet, schließlich beruft sie sich für all ihr bisheriges – und eben wohl auch künftiges – Schaffen auf ihr „Pflichtgen“. Da ahnt man die Botschaft, wenn sie erklärt: „Die Bereitschaft, auch einen schweren Weg zu gehen, ist es, die unser Land auszeichnet.“
Fazit: eine Autobiographie, die viel Interessantes erzählt, die aber auch vieles aus offenkundigen, wohlbedachten Gründen ungesagt und den Leser damit nur halb befriedigt zurücklässt.

# Hilary Rodham Clinton: Entscheidungen; 895 Seiten, div. Abb.; Droemer Verlag, München; € 28


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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