ANDREW MOTION; SILVER.
RÜCKKEHR ZUR SCHATZINSEL
Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel zählt zu den berühmtesten Klassikern
der Weltliteratur und wurde schon beim Erscheinen 2883 ein Riesenerfolg. Generationen von
Jungen haben die Geschichte von der Suche nach dem Schatz des berüchtigten Piraten
Captain Flint verschlungen, doch noch nie hat jemand versucht, eine Fortsetzung zu dem
Abenteuerroman zu schreiben.
Erst jetzt wagt es mit Sir Andrew Motion ein hoch angesehener Autor, der immerhin von 1999
bis 2009 Poet Laureate war und damit Hofdichter Großbritanniens. Ganz im breiten
Erzählstil Stevensons folgt sein Roman unter dem Titel Silver. Rückkehr zur
Schatzinsel der spannungsreichen Vorgabe des Vorbilds, geht nun aber ins Jahr 1802,
also gut 35 Jahre nach den Ereignissen um Jim Hawkins und seinen Widersacher Long John
Silver.
Hawkins hat seinen Anteil an dem damaligen Schatz ausgegeben, seine Frau ist verstorben
und er betreibt an der Themse das Wirtshaus Hispaniola. Ihm zur Seite steht
Sohn Jim, der wie damals sein Vater als Ich-Erzähler fungiert. Natürlich hat er all die
Geschichten von damals unzählige Male gehört, nun aber taucht ein geheimnisvolles
burschikoses Mädchen bei ihm auf: Natty. Die sich als Tochter von Long John Silver
vorstellt, der inzwischen gebrechlich und fast blind ist.
Der alte Haudegen hat Natty mit einem Plan geschickt: als sie damals den großen Schatz
fanden, konnten sie nur das Gold mit nach England nehmen und eine Menge Silber musste
zurückgelassen werden. Das sollen Natty und Jim junior jetzt bergen. Schon bald brechen
die Beiden mit der Nightingale und einer hervorragenden Crew auf und gelangen
recht mühelos zur Schatzinsel.
Wo sie allerdings eine böse Überraschung erwartet. Offenbar haben nicht nur drei damals
zurückgelassene Meuterer überlebt, auch sonst ist das dschungelbewachsene Eiland ganz
und gar nicht mehr das einstige unbewohnte Insel-Paradies. So gestaltet sich die erneute
Schatzsuche als ein wild bewegtes Abenteuer mit lebensgefährlichen Kämpfen, Lug und
Trug, Giftschlangen als tödlichen Waffen und entgegen Stevensons Welterfolg
sogar ein wenig Romantik, denn Jim und Natty mögen einander ungleich mehr als seinerzeit
ihre Väter.
Mehr sei hier nicht verraten, denn trotz der bestens nachempfundenen, heute jedoch recht
altmodisch wirkenden Erzählweise ist auch diese Fortsetzung durchweg spannend und
reizvoll. Es geht oft deftig zu, zugleich gibt es auch geradezu poetische Passagen in
diesem vom deutschen Stevenson-Kenner Klaus Modick kongenial übersetzten Roman. Wie schon
Die Schatzinsel ist auch Silver im Übrigen nicht nur ein feines
Stück Literatur für Erwachsene, gerade auch junge Leser ab etwa 12 werden ähnlich viel
Freude daran haben wie schon bei dem berühmten Klassiker.
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