JANN W. WITT: DIE BOUNTY WAR SEIN SCHICKSAL“


Am 28. April jährte sich die wohl berühmteste Meuterei der Seefahrt zum 225. Male und für die meisten Menschen ist klar: der ehrenhafte Fletcher Christian hat den ungerechten Menschenschinder William Bligh als Kapitän der „Bounty“ damals zu Recht abgesetzt und mit Teilen der Mannschaft davongejagt. Film und Fernsehen haben diese Version gewissermaßen auf ewig zementiert, doch – entspricht sie der Wahrheit?
Mit Jann M. Witt hat ein versierter Marinehistoriker den Fall wissenschaftlich genau untersucht und er kommt zu Ergebnissen, die verständlich machen, warum der vermeintlich böse Tyrann bis in den Rang eines Vizeadmirals aufgestiegen war, als er 1817 verstarb. Unter dem Titel „Die BOUNTY war sein Schicksal. Das abenteuerliche Leben des William Bligh“ beschreibt er dessen Vita von den Anfängen als einfacher Seemann an. 1754 in Plymouth geboren, schaffte der aus einfachen Verhältnissen stammende Bligh den ersten Karriereschritt mit 22 Jahren als Segelmeister auf der „Resolution“, die unter dem berühmten Entdecker James Cook in die Südsee fuhr.
Nach Cooks Tod diente Bligh auf Handelsschiffen, folgte aber sofort dem Ruf der Marine, als diese ihn zum Kapitän auf der „Bounty“ berief. Mit der sollte er Setzlinge von Brotfruchtbäumen von Tahiti holen und auf die westindischen Inseln bringen, wo mit den Früchten die dortigen Sklaven ernährt werden sollten. Für die Fahrt holte Bligh, selbst erst 32 Jahre alt, unter anderem den elf Jahre jüngeren Fletcher Christian als 1. Offizier an Bord.
Schon auf der Hinfahrt kommt es zu Reibereien, denn Bligh hat wenig Gespür für die Mentalität seiner Leute und fordert bedingungslose Pflichterfüllung. Die gesamte Crew ist sehr jung, kein einziger auch nur 40 Jahre alt, und die Chemie untereinander stimmt nicht. Der Historiker belegt jedoch mit zweifelsfreien Unterlagen, dass Bligh zwar auch im Laufe seiner späteren langen Karriere immer wieder insbesondere mit untergebenen Offizieren heftig aneinander geriet, in der für rabiate Disziplinarmaßnahmen damals berüchtigten britischen Marine aber war er sogar der Kapitän, der Delinquenten besonders selten auspeitschen ließ.
Am Reiseziel Tahiti angelangt, war man wetterbedingt fünf Monate lang zum Bleiben gezwungen. Für die Seeleute war das in jeder Beziehung paradiesisch, zumal die schönen Tahitianerinnen offenherzig und verführerisch waren. Als der humorlose Bligh schließlich den Aufbruch befahl, kam es wegen einer Nichtigkeit zur Meuterei, angezettelt von Fletcher Christian, der zunächst eigentlich nur die eigene Desertion vorgehabt hatte.
Bezeichnend für die so ganz andere Wahrheit ist auch, dass sich von den noch lebenden Besatzungsmitgliedern nicht einmal die Hälfte Christian anschloss. Bligh und 18 loyale Seeleute wurden mit primitiver Ausstattung mit einer Barkasse auf den Pazifik ausgesetzt. Mit wie viel Disziplin und beispielloser Navigationskunst Bligh seine Männer ohne jede Seekarte in 48 ungeheuer strapaziösen Tagen über 3600 Seemeilen bis zu der niederländischen Insel Timor führte, wurde später als nautische Meisterleistung gerühmt.
Witt legt auf der Grundlage umfangreichen Quellenmaterials dar, wie Bligh in dem obligatorischen Seegerichtsverfahren wegen der Meuterei freigesprochen wurde, während die später gefassten Meuterer fast durchweg höchste Strafen erhielten. Der schwierige Bligh wiederum stieg langsam aber stetig weiter auf, wurde Mitglied der Royal Society und errang einiges Ansehen als Kapitän in mehreren Seeschlachten Lord Nelsons.
Dem Historiker gelingt eine ebenso detaillierte wie spannende Ehrenrettung des zu Unrecht zum Finsterling stilisierten William Bligh. Zugleich eröffnet er tiefe Einblicke in das harte Leben innerhalb der britischen Marine und es wird zweifelsfrei festgestellt: ohne den Versager Fletcher Christian hätte es die legendäre Meuterei auf der „Bounty“ wohl kaum gegeben.

# Jann M. Witt: Die BOUNTY war seine Schicksal. Das abenteuerliche Leben des William Bligh; 192 Seiten, div. Abb.; Primus Verlag, Darmstadt; € 19,95


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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