MAURIZIO de GIOVANNI: DAS
KROKODIL
Der Killer kommt mit dem Zug um 8.14 Uhr an und seine Fähigkeit zur Unauffälligkeit ist
nur ein Grund, warum er sein schlimmes Werk so erfolgreich verrichten kann. Mit seiner
Ankunft in Neaple setzt eine bestürzende Mordserie ein, für die der preisgekrönte
Krimi-Autor Maurizio de Giovanni seinen neuen Ermittler Inspektor Giuseppe Lojacono
einsetzt.
Der Titel lautet Das Krokodil und das ist der Bei-name, den der Killer schon
bald bekommt, weil er am Tatort jeweils Taschentücher mit seinen Tränen hinterlässt.
Als einzige Spur, denn ansonsten handelt er äußerst präzise, wenn er seinen Opfern
auflauert und sie mit einem gut platzierten Genickschuss tötet. Stellt sich die Frage:
weint der Mörder etwa beim Morden?
Doch selbst diese Spur hat die Polizei nur dem geschulten Blick Lojaconos zu verdanken. Er
hatte Bereitschaftsdienst und war deshalb als Erster am nahen Tatort. Allerdings wollen
seine Vorgesetzten keine Weisheiten von ihm hören und schicken ihn zurück an den
ungeliebten Schreibtisch zum Nichtstun. Dazu ist der einst so erfolgreiche Kriminalist
verdonnert worden, nachdem ihn eine Intrige der Mafia auf Sizilien als Informanten
denunziert hat.
Ohne Chance auf Aufklärung über seine Unschuld wurde er strafversetzt nach Neapel und
hier aufs dienstliche Abstellgleis. Noch mehr leidet er allerdings unter der Trennung von
Frau und Tochter, die sich wegen dieser Schande von ihm abgewendet haben. Währenddessen
lernt der Leser auch Eigenheiten des Killers kennen und seine zwischen die Kapitel
eingeschobenen zärtlichen Briefe an ein Frau. Was jedoch fast mehr Rätsel als
Aufklärung bringt, wie sich das vielfältige Geschehen mit den zahlreichen Protagonisten,
die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, als raffiniertes Puzzel erweist.
Die Kripo aber hat eine simple Theorie: ein Killer der Camorrra ist am Werk. Doch warum
sollte der ganz junge unschuldige Menschen umbringen, die zudem aus verschiedenen Kreisen
stammen und offenbar nichts miteinander zu tun haben?
Dabei hat das Krokodil offensichtlich einen Plan, eine Art selbstgestellte Aufgabe. Erst
die stellvertretende Staatsanwältin Laura Piras, ebenso attraktiv wie wegen ihres
explosiven Temperaments gefürchtet, merkt, dass der clevere Lojacono ganz andere
Qualitäten aufweist als seine engstirnigen hiesigen Kollegen. Und diese Zwei setzen alle
Hebel in Bewegung, um nach drei Opfern einen weiteren Mord zu verhindern. Die
überraschende und dennoch konsequente Auflösung dieses fein gesponnenen Krimis mit
seinen oft nur scheinbaren Spuren sei hier nicht verraten.
Die Atmosphäre Neapels und diese speziellen Eigenheiten italienischer Polizeiinspektionen
tragen viel bei zu einem sehr eigenen, runden Krimi-Vergnügen. Die interessanteste unter
vielen gut gezeichneten Figuren aber ist Inspektor Lojacono und da darf man sich nach
diesem meisterhaften Auftakt auf Fortsetzungen freuen.
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