MARILYN YALOM: „WIE DIE FRANZOSEN DIE LIEBE ERFANDEN“


Hat es die Liebe schon immer gegeben und wenn ja, wie ist sie entstanden? Dieser nicht sehr wissenschaftlichen Frage ist mit Marilyn Yalom eine gestandene Professorin für Französische Literatur an der Stanford University nachgegangen und sie hat daraus ein ebenso aufschlussreiches wie vergnügliches Buch gemacht.
Dem Titel allerdings muss man definitiv widersprechen, denn der lautet kokett „Wie die Franzosen die Liebe erfanden. Neunhundert Jahre Leidenschaft“. Der Mythos dagegen, die Erfinder zu sein, haben sich die Franzosen vor allem auf kulturellem Wege verdient, denn nirgendwo sonst findet sich eine solch intensive und oft genug Grundlagen schaffende oder Trend setzende literarische Beschäftigung mit diesem Thema.
Und das ist schließlich die Domäne dieser Autorin und so steigt die Feministin im 12. Jahrhundert in Frankreich ein ins Metier und beginnt mit einem Klassiker jeglicher Liebesliteratur, dem Thema Ehebrauch. Am Anfang stehen die Schutzheiligen aller französischen Liebenden, das unglücklich liebende Paar Abaelard und Heloise. Von ihrer beispielhaften herzergreifenden Geschichte aus verfolgt die seriös aber nicht bierernst argumentierende Autorin in weiteren 15 Kapiteln chronologisch die Entwicklung des Themas Liebe im Rahmen der oft gravierenden gesellschaftlichen Wandel.
Ob Galanterie oder romantische Liebe, ob höfische Sittengemälde mit pikanten oder ausschweifenden Affären bis zur Liebe in revolutionären Zeiten, für alles finden sich aufschlussreiche literarische Belege. Wobei besonders die moderneren bis hin zu offener Erotik, gleichgeschlechtlicher Liebe – man denke an solch namhafte Vertreter wie Rimbaud, Wilde oder Gertrude Stein – oft mit den Schriften von ihren Protagonisten oder über sie selbst neue Denkweisen und Trends eröffneten.
Marilyn Yalom hat die teils sehr bewegenden, teils eher anekdotenhaften Abhandlungen in einem recht persönlichen Ton geschrieben, so dass hier bei aller Gelehrsamkeit ein unterhaltsamer Bilderbogen über Aufkommen und Wandel der Liebe in der Literatur draus entstanden ist. Mag die Ausrichtung auch recht französisch und gewiss nicht wissenschaftlich objektiv sein, ist sie doch ein stilvolles Lesevergnügen.

# Marilyn Yalom: Wie die Franzosen die Liebe erfanden. Neunhundert Jahre Leidenschaft (aus dem Amerikanischen von Michaela Meßner); 443 Seiten, div. Abb.; Graf Verlag, Berlin; € 22,99


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: NF 285 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de