DAVID BUCKLEY: „KRAFTWERK. DIE UNAUTORISIERTE BIOGRAPHIE“


Maschinenmusik oder gar Nicht-Musik schmähten so manche, doch die 1970 in Düsseldorf entstandene Band „Kraftwerk“ wurde das berühmteste und weltweit einflussreichste Ensemble deutscher Herkunft. Noch heute füllen die seltenen Konzerte Riesensäle, nur Literatur über die Pioniere der elektronischen Popmusik gibt es kaum und schon gar nicht eine umfassende Biographie.
Um so verdienstvoller ist das Werk, das David Buckley nun vorgelegt hat. „Kraftwerk. Die unautorisierte Biographie“ lautet der Titel und er nimmt eines vorweg: zu gern hätte der Kraftwerk-Verehrer auch die Bandgründer interviewt, doch sie lehnten dies ab, offiziell mangels Interesses. Immerhin konnte Buckley, seines Zeichens promovierter Popmusik-Wissenschaftler und Lehrbeauftragter für Pop-Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, rund 150 Zeitzeugen befragen.
Unter ihnen waren zeitweilige Bandmitglieder aus der heißesten Phase von 1974 bis 1981 besonders autentisch und ergiebig: Wolfgang Flör und Karl Bartos. Hinzu kamen als ehemalige Kraftwerker auch noch Eberhard Kranemann und Michael Rother. Ohne die Gründungsmitglieder Ralf Hütter und Florian Schneider bleibt allerdings vieles von dem, was hinter dem rätselhaften Mythos der Band steckt, weiterhin im Verborgenen.
Was Buckley jedoch sehr detailliert über Jahre recherchiert hat, liest sich auch so faszinierend über Musiker, die sich entgegen allen Trends früh der elektronischen Musik widmeten und 1974 mit dem ersten großen Geniestreich „Autobahn“ als sogenanntem Elektropop Musikgeschichte schrieben. Übrigens erfolgreicher in den USA, Großbritannien und Frankreich als in ihrer Heimat. Es war ein unglaublicher Klang, ziemlich einfach, scheinbar emotionslos – vor allem ihr Sprechgesang – vordergründig monoton und doch spürbar genial.
Es folgten weitere Geniestreiche wie „Radio Activity“ und „Trans Europa Express“ und stets flossen die neuesten Entwicklungen moderner Technik ein zu einem Gesamtkunstwerk, das sie auch zu Urvätern verschiedener neuer Musikrichtungen vom HipHop bis zu Techno machte. Zugleich verblüfft das Visionäre und Prophetische ihrer Kunst, die eine von Computern und Robotern beherrschte Welt erahnen ließ. Zu ihrer geheimnisumwitterten Aura trug zudem ihre persönliche Verschlossenheit bei – keine Talkshow-Präsenz, ein abgeschottetes Privatleben und ein durchgehendes Nein gegenüber jeglichen Avancen auf Kooperation selbst gegenüber Superstars – und Bewunderern – wie David Bowie.
Urbane Themen, moderne Technik, Fortschritt und Zeitgeist gehörten zu ihrem Konzept und das in großer Ernsthaftigkeit – eher Kopfmusik also. Die dann gleichwohl Millionen bis heute begeistert und bewegt. Fazit: David Buckley hat den Mythos nicht enttarnen können, jedoch ein kenntnisreiches und vor allem für Musikliebhaber spannendes Buch über eine der einflussreichsten Bands der Musikgeschichte geschrieben, in dem vieles über ihre Motive und Arbeitsweisen erläutert wird.

# David Buckley: Kraftwerk. Die unautorisierte Biographie (aus dem Englischen von Henning Dedekind und Heike Schätterer); 400 Seiten, div. Abb.; Metrolit Verlag, Berlin; € 22,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 323 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de