HANS SCHOLZ: AM GRÜNEN
STRAND DER SPREE
Einer der ganz großen Bestseller Mitte der 50er Jahre war der Episodenroman Am
grünen Strand der Spree von Hans Scholz (1911-1988). Trotz seiner ungewöhnlichen
Form und obwohl er in seinem nüchternen Realismus unter anderem auch Massenerschießungen
von Juden und andere Verbrechen der NS-Zeit schilderte, die zehn Jahre nach Kriegsende
noch geradezu tabu waren, wurde das Werk des Berliners ein Überraschungserfolg und der
1960 ausgestrahlte Fünfteiler nach dem Roman der erste Fernseh-Straßenfeger.
Endlich gibt es diesen sehr autentischen Gegenwartsroman aus der Wirtschaftswunderzeit als
Neuauflage und besonders Lesern, die ihn noch gar nicht kennen, eröffnet er erstaunliche
Einblicke in das Denken seiner Entstehungszeit. Ursprünglich hatte Scholz mehrere
Geschichten verfasst, bis er auf Anraten des Verlages diese zu einem Roman zusammenfasste.
Das erklärt denn auch den Untertitel So gut wie ein Roman, zugleich muss man
wissen, dass der Autor wie sein Alter ego Schott im Buch Drehbücher für
Werbe- und Dokumentarfilme schrieb.
Entsprechend einfach war später die filmische Umsetzung von sechs der sieben großen
Erzählungen innerhalb des zyklischen Romans, denn vieles musste nur noch adaptiert
werden, so drehbuchmäßig erwies sich die Vorlage. Den Rahmen bildet dabei ein Treffen
von vier alten Freunden am 26. April 1954 in ihrem Stammlokal, dem Jockey-Club
in West-Berlin. Der Werbefilmproduzent Hans Schott, der Maler und Filmberater Fritz Georg
Hesselbarth, der Schauspieler Bob Arnoldis sowie der kürzlich erst aus sowjetischer
Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Ex-Generalstabsoffizier Hans-Joachim Lepsius. Einzig
Gastgeber Mummi Brabender, Rechtsanwalt und Notar, fehl aus terminlichen
Gründen.
Beabsichtigt ist vor allem, dem Heimkehrer Lepsius die Eingewöhnung an das Leben in der
Nachkriegsordnung zu erleichtern. Doch er ist es schließlich, der als Erster aus der
Vergangenheit berichtet, in dem er die geretteten Tagebücher des in der Gefangenschaft
verschollenen Freundes Jürgen Wilms vorliest. Wobei diese im Juni 1941 einsetzenden
Schilderungen zugleich die brisantesten sind, denn überraschend offen berichtet Soldat
Wilms von Gräueltaten der SS bis hin zu Massenerschießungen von Juden in der Ukraine.
Staunen muss man aus heutiger Sicht hier insbesondere über die Selbstverständlichkeit,
mit der die Kenntnis und Mitwisserschaft seitens der Wehrmacht postuliert wird.
Um so krasser unterscheidet sich davon die von Schott erzählte Geschichte vom General im
seit Jahren kampflosen Nord-Norwegen, wo der kopfstarke Divisionsstab leidet an
Langeweile. Aber Scholz hat auch allerlei Humorvolles eingeflochten und neben einer
spannenden Zeitreise in das Jahr 1759 mit der Schlacht von Kunersdorf fesselt er mit
Episoden um die kapriziöse Babsiby Bibiena. Hinzu kommen Ausflüge in ein
US-Gefangenenlager, nach Italien und in die reale junge Ostzone.
Das Alles überzeugt noch heute mit viel Milieu- und Menschenkenntnis, zumal Scholz gerade
die militärischen Erlebnisse aus eigener Anschauung untermauern konnte. Und er fasziniert
aus der heutigen Sicht mit dem absolut authentischen Zeit- und Lokalkolorit, das er mit
seinem außergewöhnliche Erzählstil mit viel wörtlicher Rede und viel Mundartlichem wie
dem Berlinerischen krönt. Das ist ebenso geschickt eingeflochten wie die zahlreichen
Erzählstränge miteinander verknüpft sind.
Fazit: ein Meisterwerk, das die Vergangenheit unserer Gegenwart in höchst lebendiger
Weise ins Bewusstsein ruft und zugleich ein wahrhaft ungewöhnlicher Lesegenuss ist. Nach
dem man sich dann unbedingt auch den ähnlich großen Genuss der Verfilmung auf den fünf
DVDs samt dem ebenfalls legendären Radio-Hörspiel von 1956 genehmigen sollte.
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